BLOG vom: 11.02.2020
 Die Tollkirsche ist die Giftpflanze des Jahres 2020
 Autor: Heinz Scholz,  Wissenschaftspublizist, Schopfheim
 

  
Tollkirsche (Foto Heinz Scholz)
 
  Zur Giftpflanze des Jahres 2020 wurde die  Tollkirsche (Atropa bella-donna) gekürt.   Seit 15 Jahren ermittelt der Botanische Sondergarten Wandsbek per Wahl  aus den fünf Nominierten eine Giftpflanze. Durch diese Aktion wird auf die  giftige Wirkung heimischer Pflanzen aufmerksam gemacht und zugleich einen  angstfreien Umgang mit ihnen gefördert.
  Zur Auswahl standen die Gartenwicke, der Holunder,  der Schneeball, die Tollkirsche und die Engelstrompete. Das  Nachtschattengewächs wurde durch viele Interessierte gewählt.
Verführerisch  besonders für Kinder
   Schon  als Kinder sahen wir an Büschen kirschgrosse, schwarz glänzende Früchte. Wir  waren jedoch gewarnt, diese verlockend aussehenden und süsslich-fade  schmeckenden Beeren nicht zu naschen. Die erste Warnung kam von den Eltern,  später vom Klassenlehrer, der uns auf einer Exkursion diese hochgiftige  Tollkirsche zeigte. An manchen Büschen waren neben den schwarzen Beeren auch  einige der braunvioletten, aussen grünlich gefärbte und glockige Blüten zu  sehen.
  Später  erfuhren wir vom Biologielehrer Erstaunliches über die giftige Tollkirsche. Sie  war schon im Altertum bekannt. Der griechische Arzt Dioskurides beschrieb den Beerensaft, der je nach Dosierung entweder Phantasien auslöste  oder den Tod herbeiführte. Leider wurde die Tollkirsche auch zu kriminellen  Zwecken verwendet. Bekannt wurden einige Mordprozesse. Auch erfuhren wir, dass  die Tollkirsche ein Nachtschattengewächs ist und giftige Alkaloide enthält.
Hauptwirkstoffe  und Giftigkeit
 Hauptwirkstoffe  sind Hyoscyamin, Atropin, Scopolamin und in geringen Mengen das Atropamin. Alle  Pflanzenteile (Wurzeln, Samen, Früchte, Blätter, Blüten) sind giftig.  Giftaufnahme ist auch durch die Haut möglich. Vergiftungen traten meistens mit  Beeren auf. Bei Kindern gelten 3 bis 4 Beeren als tödlich, bei Erwachsenen sind  es 10 bis 12 Beeren. 
Hinweis  für Eltern: Da die Tollkirschenfrüchte eine Ähnlichkeit mit  Schwarzkirschen haben und süsslich schmecken, ist sie eine der gefährlichsten  Giftpflanzen für Kinder. Eltern sollen bei Spaziergängen in der Natur (Wälder,  Waldränder, Büsche an Wegen) ihre Kinder darauf hinweisen, wie giftig die  Pflanze ist. Beeren dürfen auch keinen Fall verzehrt werden. 
 

  
Blüte der Tollkirsche (Foto Heinz Scholz)
 
Auch  Erwachsene sind betroffen
   Aus  Unkenntnis vergifteten sich auch Erwachsene mit den Beeren. So pflückte und  verzehrte eine italienischen Familie bei einem Besuch im Botanischen Garten  viele Beeren. Ein 23-jähriger Mann ass Tollirschen, die er am Wegesrand  sammelte und für Heidelbeeren hielt. Die Intoxikationen mit Blättern und  Stängeln sind selten. Aber es kommen Vergiftungen vor. In 2 Fällen hatten  Erwachsene Blätter von Tollkirschen als Wildgemüse gesammelt, gekocht und  gegessen  (Quelle: „Giftpflanzen“,  Frohne/Pfänder).
Vergiftungserscheinungen
   Gesichtsrötung,  Trockenheit der Schleimhäute, Pulsbeschleunigung, Pupillenerweiterung,  Tobsuchtsanfälle, Halluzinationen, Seh- und Sprechstörungen, Krämpfe, erhöhte  Körpertemperatur, Erregungszustände.
Erste  Hilfe und Therapie laut Roth, Daunderer und Kormann:  Kohle-Pulvis-Gabe, Erbrechen auslösen. Therapie erfolgt in der Klinik: Magenspülung.  Am besten ist es, wenn Sie das Kind gleich zum Arzt bringen. 
 „Schöne Frau“
   Die  Erweiterung der Pupillen mit Auszügen der Tollkirsche war schon im Mittelalter bekannt.  Der Blick der Frau wurde dadurch schöner. Der erste Name Atropa bedeutet  „erweitert“, während der zweite wissenschaftliche Name Bella-donna „schöne  Frau“ bedeutet.
Atropin  kam bei Augenuntersuchungen und Augenoperationen zur Anwendung. Dazu Apotheker Frank  Hiepe: „Atropin-Augentropfen werden wegen der lange anhaltenden Wirkung auf  die Pupillen und damit eingeschränkter Autoführung nicht mehr häufig  eingesetzt.“ Es gibt inzwischen Alternativen, wie z.B. Cyclopentolat und  Tropicamid.
Internet
   www.hamburg.de/wandsbek/botanischer-sondergarten/
   www.jva.de 
   www.gelbe-liste.de
Literatur
   Frohne,  Dieter; Pfänder, Hans Jürgen: „Giftpflanzen“, WVG, Stuttgart 1987.
   Henle,  Christine: „Giftpflanzen im Haus, Garten und in der Natur“, Deutscher  Landwirtschaftsverlag, Berlin 1995.
   Roth,  Daunderer, Kormann: „Giftpflanzen, Pflanzengifte“, Nicol  Verlagsgesellschaft, Hamburg 2008.