Meerrettich regt Appetit und Verdauung an
Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

  
„Der Meerrettich hat alle Merkmale einer explosiven Pflanze. Er ist gleichzeitig das Allerbeste und Allerschlimmste; eine schwache Dosis dynamisiert den Körper und namentlich das Verdauungssystem; eine kräftige Dosis dagegen ist Dynamit“, so beschreibt Maurice Mességué treffend die scharfe Wurzel. Der Meerrettich bringt nicht nur Pep in die Speisen, er hat auch andere Vorzüge, wie wir sehen werden.
   Das Penicillin aus der  Küche 
   Der Meerrettich (Armoracia  rusticana) gehört zur Familie der Kreuzblütler (Cruciferae). Die 30 bis 40 cm lange und bis 6 cm dicke walzenförmige  Pfahlwurzel ist in der Tat die Schärfste unter den Gemüsen und Küchenkräutern.  Bei der Zubereitung fliessen schon mal die Tränen; es kribbelt in der Nase, und  beim Verzehr verspürt man einen beissenden Geschmack. Das merke ich immer, wenn  ich nach Wanderungen bei der Schlusseinkehr geräuchertes Forellenfilet mit  Meerrettich-Sahne verzehre. Wenn frisch geriebener Meerrettich verwendet wurde,  dann flossen bei mir auch die Tränen. Oft wird der Meerrettich zusammen mit  Sahne (Rahm) serviert. Dadurch wird die Schärfe etwas abgemildert.
„Er muss in der Zunge beissen, wenn er dieses nicht tut und gelind tut, so ist er nicht gut“, heisst es in Valentinis Kräuterbuch aus dem Jahre 1719. Kein Wunder, dass er in manchen Gegenden „Rachenputzer“ genannt wird. Andere Bezeichnungen sind: Mährrettich, Sumpfrettich, Kren, Fleischkraut, Maressig, Pfefferwurzel, Bauernsenf und Beisswurzel.
Senföle, Vitamin C (115 mg/100 g) und Kalium sind die herausragenden Inhaltsstoffe. Senföle sind für den beissenden Geschmack verantwortlich und entfalten eine antibiotische Wirkung. Nicht zu Unrecht wird der Meerrettich als das „Penicillin aus der Küche“ bezeichnet. Senföle entfalten eine durchblutungsfördernde, appetitsteigernde, harntreibende, hautreizende, entwässernde und schleimlösende Wirkung. Auf Gärungs- und Fäulniserreger im Darm wirken Senföle lähmend.
Senfölglykoside kommen ausserdem in Rettich, Senf, Kresse und Kohl vor.
Meerrettich  wird gern zu Roastbeef, gekochtem Rindfleisch, Tafelspitz und geräucherten  Forellen  gegeben. Aber auch zur  Herstellung von Saucen, Senf, Geflügel- und Kartoffelsalaten,  Meerrettich-Quark, Sahne- oder Apfelmeerrettich wird die geriebene Wurzel  verwendet. 
   Wirksame Senföle
   Eine neueste Grosstudie der Universitäten Rennes und British Colombia ergab,  dass die schwefelhaltigen Senföle die Resistenzproblematik entschärfen können.  Bei Erkältungskrankheiten ist es sinnvoll, wirksame pflanzliche Arzneimittel  wie Senföle aus Kapuzinerkresse (Arzneipflanze des Jahres 2013) und Meerrettich  einzusetzen. Dies äusserte der Makrobiologe Prof. Uwe Frank, Freiburg.  Bei Verwendung von Senfölgemischen wurden nach 50 Jahren keine Resistenzen  beobachtet. 
   Bei der Grossstudie wurden  mehr als 100 Forschungsarbeiten zu den antibakteriellen Eigenschaften und  Resistenzmechanismen der Senföle ausgewertet. Die Senföle wirken  antimikrobiell, entzündungshemmend und eignen sich zur Behandlung von  Erkältungskrankheiten.  „Gleichzeitig tragen die Senföle zur Entschärfung  des Resistenzproblems bei“, so Prof. Frank.
Die Senföle wirken auch im Gegensatz zu Antibiotika, antiviral. Bei antiviral  bedingten Atemwegserkrankungen könne das pflanzliche Arzneimittel auch den  bakteriellen Sekundärinfektionen entgegenwirken. 
   Eine Kombination der Senfölglykoside (Glucosinolate) aus Kapuzinerkraut und  Meerrettichwurzel haben ein breites Wirkungsspektrum gegenüber 13 klinisch  relevanten Bakterienstämmen. 
   Eine Untersuchung an der Uni Giessen 2010 ergab, dass die Kombination der  Senföle die Vermehrung von Grippeviren vom Typ H1N1 hemmte.
   Inhaltsstoffe der  Kapuzinerkresse: Senfölglykoside, Carotinoide, Anthocyanidine,  Flavonoide, Phenole, Vitamin C.
   Eigenschaften: Antibiotisch, antiviral, pilzwidrig, schleimlösend,  desinfizierend.
   Haupteinsatzgebiete sind Harnwegsinfekte, Infektionen der oberen  Luftwege, Nebenhöhlenentzündung und Bronchitis.
   Inhaltsstoffe von  Meerrettich: Senflölglykoside (Sinigrin, Allicin, Gluconasturtin),  Vitamin C (115 mg/100 g), ätherische Öle.
   Eigenschaften: Antimikrobiell, entkrampfend, durchblutungsfördernd,
   Haupteinsatzgebiete: Bakterielle Harnwegsinfekte, Infektionen der  Atemwege.
   Stärkung der Abwehr.
Hinweis: Die Arznei-Kombination Meerrettich und Kapuzinerkresse ist in Apotheken erhältlich.
Nackenkompresse bei  Kopfschmerzen
   Nackenkompresse mit frisch  geriebenem Meerrettich: Maya Thüler empfiehlt eine Nackenkompresse bei Kopfschmerzen,  Stirnhöhlen- und Kieferhöhlenentzündung. Die Einwirkungsdauer soll höchstens 4  Minuten betragen. Bei guter Verträglickeit kann die Kompresse bis zu 10 Minuten  aufgelegt bleiben.
   Nach  Entfernung der Kompresse sollte man die gerötete Stelle mit Körperöl einreiben.
   Weitere Anwendung: Zerquetschte Meerrettichblätter eignen sich als Auflage bei Bienenstichen  (Schmerzlinderung, Verhinderung einer Schwellung).
Noch ein Hinweis: Menschen mit Magen- und Schilddrüsenproblemen sollten keinen Meerrettich verzehren.
Anhang: Einige Rezepte mit Meerrettich
Walter Hess erwähnte in seinem  Glanzpunkte-Artikel „Rettich,  schmackhafter Kaminputzer für den Unterleib“ das Rezept für einen Meerrettich-Salat.

  
Meerrettich-Salat
   Über 150 Jahre alt ist das nachstehende Rezept. Die Quelle: „Neues  Berner Kochbuch oder Anleitung, die im gewöhnlichen Leben sowohl als bei  Fest-Anlässen üblichen Speisen auf die schmackhafte Art zuzubereiten; nebst  einer bildlichen Darstellung, wie die Gerichte auf dem Tisch gefällig zu ordnen  sind“, herausgegeben von L. Rytz, geb. Dick:
„Man reinigt den Meerrettich von der Rinde, reibt ihn am Kässchaber, giesst ein paar Löffel heisse Fleischbrühe daran, lässt ihn einige Minuten zugedeckt stehen, und macht ihn mit Pfeffer, Öl und Essig an. Oder man lässt in einem Tüpfi ein Stückchen frischen Anken schmelzen, thut den geschabten Meerrettich mit ein paar Löffel Fleischbrühe darein, lässt ihn ein paar Minuten kochen, und beim Anrichten ein paar Löffel Essig darunter.“ (Anmerkung: Anstelle von Fleischbrühe kann man auch Gemüsebrühe verwenden).
Die folgenden Rezepte stammen von Carine Buhmann, die für unsere Serie „Gemüse und Früchte als Arznei“ in der Zeitschrift „Natürlich“ diese und andere Rezepte lieferte.
Brotaufstrich mit Meerrettich
   Zutaten: 1  kleine Zwiebel, 1 kleines Rüebli, 2 EL fein geschrotete Gerste, 1 dl  Gemüsebouillon, 2 EL Magerquark oder Sauerrahm, ½ Bund fein geschnittener Schnittlauch,  1 kleines Stück frischer Meerrettich, Pfeffer aus der Mühle, Kräutermeersalz.
   Zubereitung:  Die Zwiebel sehr fein hacken. Das Rüebli gut  waschen und fein reiben. Zwiebel und Rüebli in wenig Fett andünsten.  Gerstenschrot beifügen und mit der Gemüsebouillon auffüllen. Unter ständigem  Rühren 3 Minuten leicht köcheln und anschliessend 30 Minuten quellen lassen.
   Quark bzw. Sauerrahm, fein  gehobelter Meerrettich und Schnittlauchröllchen untermischen. Mit Pfeffer und  Kräutersalz würzen.
   Tipp: Dieser Brotaufstrich  bleibt im Kühlschrank eine Woche frisch.
Getreideplätzli mit Meerrettichquark
   Zutaten für Plätzli: 150 g Grünkernschrot, 50 g Haferflocken, 2 dl Gemüsebouillon, 1 Bund  frische Kräuter (Petersilie, Schnittlauch), 3 EL Magerquark, 4 EL Rahm, Pfeffer  aus der Mühle, Kräutermeersalz.
   Zutaten für Meerrettichquark: 250 g Magerquark, 1 kleines Stück frischer  Meerrettich, 1 kleiner Apfel, 1 EL frischer Zitronensaft.
   Zubereitung: Den Grünkernschrot  und die Haferflocken in der Gemüsebouillon kurz aufkochen und 30 Minuten  quellen lassen – die Getreidemasse muss fest sein. Die Kräuter fein hacken und  mit Magerquark und Rahm gut vermischen. Mit den Gewürzen kräftig abschmecken. 4  bis 6 flache Getreideplätzli formen und in wenig Fett beidseitig langsam anbraten.  Erst wenn sich eine Kruste gebildet hat, die Plätzli sorgfältig wenden.
   Für den Meerrettichquark  den Apfel entkernen und fein reiben. Meerrettich schälen und ebenfalls sehr  fein reiben. Beides mit dem Quark gut verrühren und den Zitronensaft untermischen.  Zu den Getreideplätzli servieren.
Internet
   www.naturheilt.com/medikamente/angocin.html 
   www.wickel.ch 
   www.chefkoch.de
Literatur
   Buhmann, Carine: „Meerrettich – scharfe beisende Stangen“,  „Natürlich“ Nr. 12/1993.
   Gloor, Barbara: „Der Anbau der Scharfwurzel“,  „Natürlich“ Nr. 12/1993.
   Scholz, Heinz: „Der Schärfste lässt nicht nur Tränen  fliessen“, „Natürlich“ Nr. 12/1993.
   Thüler, Maya: „Wohltuende Wickel“, 11. Auflage, Maya  Thüler Verlag, Worb, Infos unter: www.wickel.ch
Glanzpunkte-Artikel 
   Walter Hess: „Rettich,  schmackhafter Kaminputzer für den Unterleib“
   Heinz Scholz: „Heilkräftige  einheimische Gewürzkräuter“
Hinweis auf einen Blog
   11.05.2016: Neueste  Studien: Antirülpsmittel, Honig bei Brustkrebs
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