Textatelier
BLOG vom: 10.04.2005

Zielstrebige Genmais-Verbreitung als Schlamperei getarnt?

Autor: Walter Hess

Eine unglaubliche Liederlichkeit um mehr als rund 1000 t (in Worten: eintausend Tonnen) illegal aus den USA eingeführten Genmais hat sich die auch jenseits des grossen Wassers tätige Schweizer (Basler) Firma Syngenta dort drüben geleistet: Nicht weniger als 4 Jahre lang soll unbemerkt geblieben sein, dass die nicht zugelassene Genmais-Sorte Bt10 mit der zugelassenen Schwestersorte Bt11 verwechselt worden sei. Der insektenresistente Bt11-Mais ist seit 1996 in den USA für den Anbau und die Verwendung in Nahrungsmitteln zugelassen. In Japan darf er seit 1996 und in der EU und in der mitläuferischen Schweiz seit 1998 als Lebens- und Futtermittel verwendet werden.

Zwischen den Jahren 2001 und 2004 wurden 15 000 Hektaren (150 Quadratkilometer) Land mit dem noch verbotenen Bt10-Mais bepflanzt und damit eine biologische Verseuchung, die in ihrem Ausmass gar nicht abzuschätzen ist, herbeigeführt. Der Konzern relativierte diese Menge: sie mache nur 0,01 % des jährlichen Maisanbaus in den USA aus. Das Umweltinstitut München vertritt die Ansicht, es könnten sogar 187 000 Tonnen in Umlauf gebracht worden sein.

Der aus einer angeblichen Verwechslung heraus verbreitete Bt10-Mais soll weltweit in den Handel gekommen sein, insbesondere auch nach Frankreich und Spanien. Welche Mengen davon als Saatgut, Tierfutter oder Speisemais in andere Länder exportiert wurden, soll ein Geheimnis bleiben; die Behörden haben bisher entsprechende Nachforschungen abgelehnt. Und die Syngenta konnte es sich leisten, die Namen der europäischen Importländer zu verschweigen, ohne dass die Behörden auf Klarheit drängten. Bei diesem Sachverhalt konnte die Syngenta sagen, sie werde die zuständigen Stellen der EU und in Asien mit allen verlangten Informationen beliefern. Aber da wird offenbar vorsichtshalber keine Auskunft verlangt.

Die nicht zugelassene Genmaissorte Bt10 ist mit einem so genannten Marker-Gen ausgestattet; sie war dadurch also eigentlich kenntlich gemacht, markiert, aber das half auch nicht weiter. Die Lösung dieses Rätsels: Dieses Gen war gerade ausgeschaltet . . . Die Sorte ist gegen das Antibiotikum Ampicillin resistent. Syngenta hatte das Gen des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) als gentechnisch verändertes Antibiotikum in den Mais eingeschleust, das innerhalb der Pflanze wie ein Schädlingsbekämpfungsmittel wirkt.

Das Antibiotikum Ampicillin findet auch beim Menschen als Breitbandpenicillin breite Verwendung, zum Beispiel gegen Enterobakterien, welche insbesondere Infektionen des Verdauungstraktes, der Gallenwege und der Harnwege verursachen. Das Antibiotikum verbleibt zum Teil im Darm und schädigt die Darmflora. Die Befürchtung besteht, dass solche Antibiotika wegen der genetischen Maisveränderung nicht mehr wirken, ohne die Schädlichkeit zu verlieren, versteht sich. Das kommt zum Umstand hinzu, dass Antibiotika von Ärzten bisher überhaupt zu exzessiv verschrieben und eingesetzt wurden (sogar in der Tiermast zur Wachstumsbeschleunigung), was denn auch die Resistenzbildungen enorm beschleunigt hat. Die Waffe Antibiotika ist deshalb stumpf geworden.

Doch damit nicht genug: Die biologische Sicherheit auf unserer Erde ist bei diesem fahrlässigen Umgang mit der Gentechnologie längst nicht mehr gegeben. Das sind genau die Vorgänge, die nötig sind, um die Gentechnik still und heimlich zu etablieren. Sie verbreitet sich wie ein Naturereignis, aber schleichend, und die Menschen fühlen sich machtlos, sehen nichts und hören nichts − ebenso der Grossteil der Medien. Am Ende sind die genmanipulierten Organismen dann einfach da, breiten sich hemmungslos aus, unkontrolliert und unkontrollierbar. Ob das zur Strategie gehört, bleibe dahingestellt. Jedenfalls sprechen die jahrelange Verbreitungsdauer von Bt10 trotz Verbot und die Ausschaltung des Marker-Gens dafür. Die Syngenta raffte sich erst nach Jahren zu einer Selbstanzeige bei der Environmental Protection Agency (EPA) auf.

Die gentech-begeisterte EU hat den Vorfall als „bedauerlich“ heruntergespielt und strengere Kontrollen von Getreideeinfuhren aus den USA selbstverständlich als unnötig bezeichnet. Auch bedürfe es keiner Abklärungen, wo denn der verbotene Mais gelandet sei. Die Geheimniskrämerei wird also aktiv unterstützt. Zu diesem Vorgehen gehört auch, dass die Öffentlichkeit über diesen Vorfall nicht informiert wurde – der Agrokonzern und die US-Regierung hielten den Fall monatelang geheim –, bis am 22. März 2005 endlich die Zeitschrift „Nature“ in der Lage war, darüber zu berichten. Tags darauf sah sich Syngenta zu einer Mitteilung genötigt, da es nicht mehr möglich war, den Fall weiterhin unter dem Deckel zu halten.

Zum System gehört auch, dass laut Umweltschutzorganisationen die amerikanischen Kontrolleure von der Freisetzung zwar wussten, aber nichts dagegen unternommen haben; die offizielle Darstellung heisst, es sei „irrtümlich genehmigt“ worden. Die nun publik gewordene Angelegenheit wurde auf typisch amerikanische Weise gelöst – die Sammelklagen lassen grüssen: Die Syngenta muss umgerechnet eine Busse von 450 000 CHF an die US-Landwirtschaftsbehörde USDA abliefern. Geld macht alles wieder gut. Im Gegenzug (gewissermassen als Quittung) bestätigten die US-Behörden der Syngenta, dass der Bt10-Mais keine Gefährdung für Menschen, Tiere und Umwelt darstelle.

Andere Länder, andere Sitten: In der EU ihrerseits fehlen Kontrollmöglichkeiten, so dass also der Verbreitung von genmanipulierten Pflanzen Tür und Tor offen stehen. Auch in den USA, die ja die Gentechnologie aktiv global verbreiten, werden Kontrollen genetisch modifizierten Saatguts selbstverständlich unterlassen oder bestenfalls pro forma durchgeführt.

Zurzeit besteht ein heftiger Handelsdisput zwischen den USA und der EU über die Frage, inwieweit die Nachverfolgbarkeit von genetisch veränderten Produkten gegeben sein muss oder was alles vernebelt werden darf. Ginge es um eine ehrliche Information und bestünden nicht enorme Gefahren, für die am Ende niemand die Verantwortung übernehmen wird und will, wären solche Diskussionen zweifellos überflüssig.

Der Fall Syngenta erweckt wegen der Geheimhaltungsversuche und dem Herunterspielen, nachdem die Vertuschung geplatzt war, ausserordentlich schlechte Gefühle. An diesem Beschönigen ist auch das Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) beteiligt, das im Prinzip die Einschätzungen der Syngenta übernommen hat . . . „Die Beurteilung der US-Behörden, dass eine Gesundheitsgefährdung durch Bt10 ausgeschlossen werden kann, ist deshalb nachvollziehbar“, stimmte das BAG am 24. April 2005 in seiner Mitteilung „Verwechslung von GVO-Mais in den USA“ in den globalisierten Choral ein. Das BAG ist immer auf der Seite der Industrie (im übertragenen Sinne auch bei Krankheitsfragen) statt der Bevölkerung, von der es über Steuermittel finanziert wird. Es steht neben den Schuhen.

Am besten wäre es, das letzte Vertrauen in die Gentechindustrie und in die damit verbandelten Behörden zu beerdigen und diese Vertrauens-Beerdigung zu einem Gross-Event, zu einem Riesenspektakel also, zu machen, wie es sich für Beerdigungen inzwischen gehört.

*

PS: In meinem neuen Buch „Kontrapunkte zur Einheitswelt“ aus der Verlag Textatelier.com GmbH sind die „geöffneten Schleusen“ am Eingang in die globalisierte Gentechwelt ausführlich und kritisch behandelt. 

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