Textatelier
BLOG vom: 26.03.2019

Der Kolibri, der ein Schmetterling ist

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Taubenschwänzchen (Foto Elisabeth Faber)
 

Im letzten Jahr sichtete ich an unseren Geranien und Petunien auf dem Balkon einen Falter, der einem Kolibri ähnelte. Er schwirrte mit blitzschnellen Flügelschlägen an eine Blüte heran und saugte im Flugstillstand mit dem langen Saugrüssel Nektar auf. Dann flog er die nächste Blüte an und führte zielgerichtet den bis zu 3 cm langen Rüssel in den nächsten Blütenkelch ein.

Nun Sie haben es bestimmt erraten, um welches Insekt es sich handelt. Es ist das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum). Obwohl es zu den Nachtfaltern gehört, ist es auch tagsüber unterwegs. Die Falter gehören zu den wenigen Insekten, die auch rückwärts fliegen können. Aber noch etwas ist wichtig: Sie können sogar Pflanzenbewegungen durch den Wind dank ihrer Augen perfekt durch den Flug kompensieren. Somit ist gewährleistet, dass der Falter mit seinem Rüssel in die Blüten gelangt und genügend Nektar bekommt. Die Schlagfrequenz der Flügel beträgt 70 bis 90 Schläge in der Sekunde.

Der 0,3 g schwere Falter benötigt an einem Tag 0,5 ml Nektar. Dazu ist der Besuch von mehr als 100 Blüten in 5 Minuten nötig. Am Tag sind das mindestens 1300 Blüten. Der Falter ist so fleissig, dass er sogar bei Regen und bei Temperaturen um 10 °C auf Nektarsuche ist. Bei sehr heissen Tagen fliegen sie an den frühen Morgenstunden sowie am Abend bevorzugt herum. Die Taubenschwänzchen bilden Schlafgemeinschaften. Sie bevorzugen von der Sonne angewärmte Felsflächen.

Zum Glück ist das Taubenschwänzchen nicht gefährdet. Viele kommen aus dem Mittelmeerraum zu uns. Legen dabei etwa 2000 km zurück und können sogar die Alpen überqueren. Einige Taubenschwänzchen sind bei uns heimisch geworden. Sie überwintern in Höhlen, hohlen Stämmen und in Häusern.

Oft kommt die Frage auf, warum das Taubenschwänzchen einen so ungewöhnlichen Namen hat. Sein Schwanz sieht so aus, als würde er aus winzig kleinen Federn bestehen, deshalb auch der Name Taubenschwänzchen. Bei genauerer Betrachtung fallen die zweigeteilten Haarbüschel am Hinterleib auf, die Schuppen darstellen. Weitere Namen sind Taubenschwanz, Karpfenschwanz und Kolibrischwärmer.

 


Taubenschwänzchen (Foto Elisabeth Faber)
 

Erstaunliches Erinnerungsvermögen
Man kann es kaum glauben, dass so kleine Falter ein sehr gutes Erinnerungsvermögen haben. Sie kehren Tag für Tag an die reichhaltigen Nektarquellen zurück, auch bleiben sie ihren Ruhe- und Schlafplätzen ein ganzes Falterleben lang treu.

Bei meinen eigenen Beobachtungen sah ich, dass die Falter nicht nur nektarreiche Blüten aufsuchen, sondern solche bevorzugen, die lange und schmale Blütenkelche haben. Auch bevorzugen sie blaue und violette Blüten, während sie gelbe oft verschmähen. Man kann die Falter nach einem Training, wie Experimente zeigten, auf bestimmte Blüten umtrainieren (nachgewiesen an blauen und gelben Papierblüten, entscheidend ist die Anwesenheit von Nektar). Die Lernfähigkeit ist unter den Faltern am eindrucksvollsten, kommen jedoch nicht an Honigbienen heran.

Forscher haben herausgefunden, dass die Falter im Wellenlängenbereich von 440 nm (zwischen blau und violett) stark angezogen werden. Der Bereich von 540nm (gelb) hat nur eine schwache Anziehung.

Taubenschwänzchen haben drei Farbrezeptoren, mit denen sie das Licht im gleichen Spektralbereich sehen wie wir Menschen. Das ist nur bei wenigen Schmetterlingen nachgewiesen (zitiert nach www.biologie-seite.de ).

Wichtige Nektarpflanzen
Die wichtigsten Nektarpflanzen für die Taubenschwänzchen sind Klee, Fuchsien, Storchschnabel, Flammenblumen, Verbenen, Flieder, Veilchen, Primeln, Sommerflieder (Buddleja), Jasmin, Luzerne. Auch Gartenblumen sind beliebt (Fuchsien, Petunien, Phlox).

Ideale Gebiete für die Fortpflanzung sind warme und sonnige Wiesen oder Acker- und Waldränder mit Labkrautbewuchs und Blütenreichtum.

Die Paarung erfolgt üblicherweise im Sommer. Das Weibchen heftet im Schwirrflug bis zu zweihundert Eier einzeln an Blütenknospen.

Die Raupen schlüpfen nach etwa einer Woche und sehen grün aus. Sie ernähren sich hauptsächlich nachts von Blättern des Labkrautes. Gegen Ende der Raupenphase verwandelt sich ihre Farbe in ein leuchtendes Rot. Die Verpuppung findet im Boden statt, in dem sie sich eingraben. Nach 3 bis 4 Wochen schlüpft der fertige Falter.

Es gibt einige Feinde, die es auf die Raupen abgesehen haben. Es sind Schlupfwespen, Brachwespen und Raupenfliegen.

Anmerkung: Die meisterhaften Fotos stammen von der Hobbyfotografin Elisabeth Faber von Freiburg im Breisgau.

 

Internet
www.nabu.de
www.biologie-seite.de
www.bund-bawue.de

Literatur
Helb, Matthias: „Insekten – überlebensgross“, Franckh-Kosmos Verlags GmbH, Stuttgart 2016.
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: „Schmetterlingsland Baden-Württemberg“, Stuttgart 2009.

 


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