Textatelier
BLOG vom: 17.10.2016

Benoîte Groult – Salz oder Sand, Hauptsache Liebe

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Beromünster LU/CH

 


Benoîte Groult (Quelle: lu-cieandco.blogspot.ch)
 

Benoîte Groult *31. Januar 1920 in Paris, verstorben am 20. Juni 2016 in Hyères, Provence-Alpes-Côte d’ Azur, dreimal verheiratet, einmal verliebt (in letzter Intensität nicht in einen der Ehemänner), war so etwas wie eine Wiedergeburt der französischen Schriftstellerin George Sand (1804 – 1876). Letztere fühlte sich wiederum von den „Confessions“ von Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) erweckt, zu welchem grandiosen Werk sie sich im Rousseau-Haus „Les Charmettes“ von Chambéry bekannte. Dort hatte bald nach 1730 eine Beziehung stattgefunden – Rousseau und Madame de Warens -die vielleicht nicht das Gegenteil war von derjenigen zwischen Groults Hauptperson „George“ (weiblich) mit Gauvain, einem bretonischen Thunfischer, in autobiographischer romanhafter Spiegelung aber ein Deutscher jüdischer Herkunft, den Benoîte Groult in der Zeit kurz nach der deutschen Besatzung Frankreichs „A Paris sous la botte des Nazis“ kennengelernt hatte.

 

Es geht der Autorin um die Gestaltung der auf sozialem, räumlichem und geistigem Abstand beruhenden totalen Liebesbeziehung, gestaltet im Roman „Salz auf unserer Haut“, was aber im Hinblick auf obige Läuterungen vielleicht besser „Sand auf unserer Haut“ geheissen hätte. Dass Groult alias George (Sand) einen Liebhaber als bretonischen Fischer gestaltet hat, erinnert etwas an das Hauptmotiv in „Alexis Sorbas“ von Nikos Kazantzakis, verfilmt von Michael Cacoyannis, dessen Porträt in www.portal-der-erinnerung.de nachzulesen ist. Ein weiteres Element ist eine Hemingway-Dimension von Natur und Geschlecht, jedoch aus weiblicher Perspektive. Die Autorin, aus einer besten städtischen Pariser Familie entstammend, studierte zur Zeit der deutschen Besatzung in Paris Literatur, was einen ganz speziellen, in gewissem Sinn abenteuerlichen Bildungshintergrund bedeutete. Man versteht ihn aus deutscher Perspektive noch besser, wenn man Ernst Jüngers beide Pariser Tagebücher in „Strahlungen“ nachliest. Interessant bleibt, dass dieser Roman, in französischer Originalfassung „Les vaisseaux du coeur“ (Herzkranzgefässe) genannt, 1988 unter dem Titel „Salz auf unserer Haut“ in die deutschen Buchhandlungen kam und gleich ein gewaltiger Bestseller wurde. Da konnte Jürg Federspiel mit seinem fantastischen Hautroman, allerdings aus männlicher Perspektive, „Geographie der Lust“ (Suhrkamp) nicht mithalten, auch nicht Esther Vilar mit „Rosittas Haut“. Desgleichen nicht der vergleichsweise vulgär und in der Tat lustfeindlich geschriebene Roman „Lust“ von Elfriede Jelinek, der späteren österreichischen Nobelpreisträgerin, das Alibi zur Verhinderung der Preisverleihung an Jahrhundertautor Peter Handke. Ein philosophisches Motto dieser Bücher aus jener Zeit ist dem französischen Autor Paul Valéry entnommen und lautet: „Die Haut ist das Tiefste im Menschen.“ Mag es Federspiel expressiver umgesetzt haben als fast alle, Benoîte Groult schaffte es, wie wenige Autorinnen der Weltliteratur, die Leserschaft in einer sehr tief liegenden seelischen Schicht zu berühren.

Benoîte Groult wurde von der Buchwerbung als Feministin verkauft. Wie Esther Vilar war sie eine Feministin, aber eine männerfreundliche. Ihr diesbezügliches Hauptwerk trägt den Titel „Le féminisme au masculin“ (1977), wurde 1995 bei Suhrkamp als „Gleiche unter Gleichen. Männer zur Frauenfrage“ in Deutschland veröffentlicht. Groult gibt ein Beispiel und eine Bestätigung für die These von Nobelpreisträger Carl Spitteler (1845 – 1924): Man sollte nur einen einzigen Roman schreiben, seinen eigenen. In diesem Sinn hat die Autorin alles andere als umsonst gelebt. Der Originaltitel ihres Buches, „Herzkranzgefässe“, in Deutschland wohl schwerlich verkäuflich gewesen, hängt damit zusammen, dass der „unsterbliche Geliebte“ im Roman eine Herzoperation nicht überlebte.

 
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