Textatelier
BLOG vom: 22.03.2016

Was will die „Alternative für Deutschland“ (AfD)?

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland


Tei 1: Mein erster Eindruck nach den Landtagswahlen und dem Studium des Wahlprogramms:

Die „Alternative für Deutschland“, die AfD, hat bei den 3 Landtagswahlen im März 2016 einen hohen Stimmenanteil bekommen. Wahrscheinlich war es eine Wahl, die den Protest vieler Menschen in diesen Bundesländern Ausdruck verleihen wollte. Es stellt sich die Frage, ob die Wähler und Wählerinnen gewusst haben, welcher Partei sie ihre Stimme geben.

Es war vermutlich nicht nur eine Protestwahl, es war eine Wahl der Besorgten und Ängstlichen. Menschen in unserem Land haben Angst, ihren Lebensstandard zu verlieren oder noch mehr davon einzubüssen. Sie haben Angst vor Überfremdung, vor neuen, unbekannten kulturellen Begegnungen. Sie haben Angst, dass die Fremden „eines Tages“ die Macht im Land übernehmen könnten. Sie haben Angst vor kriminellen Subjekten „aus dem Ausland“. Sie haben Angst vor Internationalisierung, vor Globalisierung, vor dem Verlust ihrer so empfundenen Identität. Sie haben Angst vor Herausforderungen, auf die sie sich einzustellen haben.

Sie wollen so wenig wie möglich Fremdheit im Land, aber nicht überall, nicht kulturell: nicht im Bereich der Unterhaltung mit ihren starken Einflüssen aus den USA bei Filmen und Musik; nicht im Bereich des Internets und ihren internationalen Möglichkeiten; nicht im Bereich der Versorgung mit Lebensmitteln, seien es Döner Kebab, seien es Steaks und Pommes frites.

Angst dieser Art erzeugt Abschottungswünsche. Angst kann ebenso Hass gegen alles Fremde hervorrufen. Angst erzeugt Verlustgefühle, die man nicht haben will.

Angst erzeugt aber auch Grössenwahn. Deutschland, und darin vor allem die Regierenden, macht sich in deren Augen klein, verletzlich, abhängig, unselbstständig. Deutschland soll wieder ein Land sein, das Grösse zeigt. Deutschland soll wieder Einfluss in der Welt bekommen, den sie in den Augen dieser Wähler nicht (mehr) hat.

Es ist doch alles „sooo“ einfach, denn die AfD hat die Lösung für alle diese Probleme, die Partei befreit die Ängstlichen von der Angst.

Im April will die AfD ihr Parteiprogramm beschliessen. Die Parteigenossen lassen kein gutes Haar an der angeblich so schlechten Situation im Land und an der gegenwärtigen Politik.
In ihren Augen leben wir in einem „übermächtigen Bevormundungs- und Ideologie-Staat“ und unter der „Willkür der herrschenden Klasse“.

Wir stellen uns gegen willkürlich betriebene  Masseneinwanderung ohne Rücksicht auf die gewachsene Identität Europas, die auf der Vielfalt und den Besonderheiten seiner Nationen und Regionen beruht.“

Wie soll das umgesetzt werden, wenn doch die Identität auf Vielfalt beruht, und diese gewahrt werden soll, wo soll sie denn herkommen, wenn nicht aus dem Ausland?

Natürlich hat die Afd eine Lösung, wie sie der Zahl der Asylbewerber Herr werden will. Ganz einfach, für sie ist eine Ghetto-Lösung zu schaffen:

„Die AfD will das individuelle Asylgrundrecht abschaffen und an seine Stelle die  grundgesetzliche Gewährleistung eines Asylgesetzes (institutionelle Garantie) setzen. Für Asylbewerber will sie einen Aufnahmestopp. Für vorgeblich aus politischen und anderen Gründen geflüchtete Personen will sie Schutz- und Asylzentren unter UN- oder EU-Mandat in afrikanischen und nahöstlichen Transitstaaten sowie jenseits der östlichen EU-Außengrenzen eingerichtet sehen. Anträge auf Schutz sollen dann nur dort gestellt und entschieden werden. Antragsteller in Deutschland und Europa sind ausnahmslos zur Rückkehr in diese Zentren verpflichtet. Die Genfer Konvention von 1951 und andere Abkommen sind durch eine Absenkung der Schutzstandards an die globalisierte Neuzeit anzupassen.“

Mit dem gerade in Kraft getretenen Abkommen mit der Türkei scheint dieses Ziel der AfD teilweise erfüllt worden zu sein!

Und sogar die „Genfer Konvention“ soll so verändert werden, wie die deutsche Regierung es will!

Jedenfalls bringe die aktuelle Politik laut AfD:

Flüchtlingen wie Migranten einerseits den Tod. Andererseits führt sie zu einer ebenso unaufhaltsamen wie rasanten Besiedelung Europas und besonders Deutschlands durch Menschen aus anderen Kulturen und Weltteilen.“

Gegen das Schlepperunwesen hat die jetzige Bundesregierung zusammen mit den Staaten der EU etwas unternommen, es sollte keine Toten unter den Migranten mehr geben, jedenfalls nicht auf dem Weg.

Aber in diesem unserem Land ist nach Ansicht der AfD so viel nicht mehr in Ordnung:

Dem stellen wir entgegen, was wieder herzustellen ist: die Gewaltenteilung und  Rechtsstaatlichkeit, die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und der Subsidiarität, die Selbstentfaltung von Familie, Bürgergesellschaft und gelebter Tradition, die Souveränität in der Währungs- und Geldpolitik ebenso wie im Verfügungsrecht über unsere Grenzen.“

Und so stellt die Partei ihre Grundforderungen:

Wofür wir eintreten, um es auf Dauer zu bewahren  
- für die Würde eines jeden Menschen 
- für die abendländische, christliche Kultur 
- für die historisch-kulturelle Identität unserer Nation auf Dauer 
- für ein souveränes Deutschland als Nationalstaat des deutschen Volkes 
- für die Familie mit Kindern, um die Zukunft Deutschlands für die Deutschen zu sichern.
- für ein friedliches Miteinander der Völker 
- für die freie, die friedliche, aber für eine gegen innere und äussere Feinde wehrhafte  Demokratie.“

„Die christliche Kultur“? Und was ist mit dem Drittel der deutschen Bevölkerung, das den christlichen Kirchen adé gesagt hat?

Was ist denn die „historisch-kulturelle Identität unserer Nation“? Die islamische Religion gehört wohl nicht dazu, aber was ist mit eingewanderten Menschen, die in den letzten Jahrzehnten eingebürgert worden sind, die einen deutschen Pass haben, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und arbeiten, oft schon in der 3. Generation?

„Familie mit Kindern“? Etwa ein Fünftel der Paarbeziehungen bleibt, oft bewusst und selbst bestimmt, kinderlos! Fällt unter den Familienbegriff die allein erziehende Mutter oder der Vater, das homosexuelle Paar mit Kind? Das Parteiprogramm suggeriert, wenn die Familie mehr gefördert werde (das geht vor allem finanziell und durch die Rahmenbedingungen), dann produzierten die Deutschen mehr Kinder, denn nur die Umstände im Land seien es, die dazu geführt haben, dass immer weniger Kinder geboren werden! (Ist es nicht so, dass, je höher der Lebensstandard ist, desto weniger Kinder? – Die Partei sieht das ganz anders!)

Eine „wehrhafte Demokratie“? Die AfD will die Wehrpflicht wieder einführen. Und wer sind unsere „inneren und äusseren Feinde“? Etwa alle die, die aus ihren Ländern, in denen sie fürchten müssen, unterdrückt, gefoltert, getötet zu werden, verhungern zu müssen, wenig Zukunftsmöglichkeiten sehen? Die AfD will international „gute Beziehungen pflegen“, geht das überhaupt ohne Verantwortung zu übernehmen?

Einen interessanten Aspekt beinhaltet das Programm: Die Partei will eine direkte Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen nach dem Vorbild der Schweiz.
Der Gedanke ist bedenkenswert, aber ist er in unserem föderalen Land auf die gewachsenen Strukturen, die durchaus Bürgerbeteiligungen und politische Willensbildung zulassen, so einfach „aufzupfropfen“? Denn die Bürgerbeteiligung in der Schweiz ist historisch gewachsene Kultur, die seine Berechtigung hat, auch wenn oft zur Abstimmung nur ein kleiner Prozentsatz (und zwar der am Willensprozess engagierten und interessierten) Wähler erscheint.

Jedenfalls würde die Gesetzgebung, falls die AfD an die Regierung käme, überaus erschwert werden, denn die schlägt die Einführung einer direkten Demokratie vor:

„Obligatorisch bei Völkerrechts- und Währungsfragen, Verfassungsänderungen und Staatsverschuldung;
Fakultative, wenn mindestens 1% der Bevölkerung das über Volksinitiative, -begehren und –entscheid verlangt;
Gesetzesinitiativen können nicht nur im Bundestag angestossen werden, sondern auch durch die Bürger, wenn 2% der Bevölkerung sie befürworten;
Finanzreferenden sind fakultativ bei defizitärem Haushalt oder Überschreitung einer bestimmten Schuldenhöhe möglich.“

Wie lange es dann wohl dauern würde, ein Gesetz zu verabschieden? Andererseits: mehr Bürgerbeteiligung ist notwendig, damit der Wille der Bevölkerung von den Politikern verstanden werden will.

Die AfD lehnt eine Europäische Union ab, aus der man nicht mehr austreten kann.
Was bedeutet: Sobald es Probleme ausserhalb Deutschlands gibt, zu deren Deutschland beitragen könnte, soll es auch die Möglichkeiten geben, es den anderen überlassen, damit fertig zu werden. Deutschland kann auch allein existieren! Deutschland braucht Europa nicht! – So kann man dies lesen!

Übrigens: auch nicht den Euro! Wenn die Bürger es wollen, soll man zurück zur Deutschen Mark gehen! – Was das für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeuten würde, ich möchte es mir nicht ausmalen!

Zitat: „Der Euro beschädigt das hohe Gut des friedlichen Zusammenlebens der Völker in den Euro-Staaten. Er erzeugt Missgunst und sogar Hass, wie jedermann seit Jahr und Tag feststellen kann. - Die AfD schlägt darum nicht mehr vor, das inzwischen erkennbar unrettbare Euro-System zu verbessern, sondern setzt sich dafür ein, die deutsche Mitwirkung an der wirtschaftlich und rechtlich falschen Fortsetzung dieser ‚Rettungs’-Politik zu beenden und - bei mangelnder Einsicht der Partnerstaaten - aus dem Euro-Verbund auszusteigen.“

Natürlich, wenn die Partnerstaaten nicht die Einsicht zeigen, die Deutschland hat, dann soll Deutschland eben zur Deutschen Mark zurückkehren, einfach so!

Die Polizei soll gestärkt werden und sie soll befähigt werden:

„eine Kriminalstatistik ohne politische Vorgaben als möglichst getreues Abbild der Realität zu erstellen und durch eine Dunkelfeldstudie zu ergänzen.“

Und das auf folgender Grundlage:

„Auf volljährige Täter ist das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden, das Strafmündigkeitsalter auf zwölf Jahre zu senken. Wir sind dafür, das Anordnen der Untersuchungshaft schon dann möglich zu machen, wenn der dringende Tatverdacht eines Verbrechens im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB besteht.“

(StGB: “Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.“)

Heisst das nicht: Die AfD befürwortet einen Polizeistaat?

Auch zum Thema „Klimaschutz“ weiss die AfD, was richtig ist. Der CO2-Ausstoss ist nicht negativ zu sehen, im Gegenteil:

„IPCC und deutsche Regierung unterschlagen jedoch die positive Wirkung des CO2 auf das Pflanzenwachstum und damit auf die Welternährung. Je mehr es davon in der Atmosphäre gibt, umso kräftiger fällt das Pflanzenwachstum aus.“

Dass sogar China massiv den Ausstoss im nächsten Jahrzehnt senken will, interessiert nicht. Die „Dekarbonisierung“ führe dazu, dass die „persönliche und wirtschaftliche Freiheit massiv eingeschränkt“ werden würde. Deshalb: Umweltschutz ja, Klimaschutz nein! (So einfach kann man das sehen!)

„Die AfD sagt daher Ja zum Umweltschutz, macht aber Schluss mit der ‚Klimaschutzpolitik’ und mit den Plänen zur Dekarbonisierung und ‚Transformation der Gesellschaft’. Das  Stigmatisieren des CO2 als Schadstoff werden wir beenden und alle Alleingänge Deutschlands zum Reduzieren der CO2-Emissionen unterlassen. CO2-Emissionenwollen wir nicht finanziell belasten. Klimaschutz-Organisationen werden nicht mehr unterstützt.“

Da scheint der Partei ein Fehler unterlaufen zu sein: Die CO2-Emissionen sind weitgehend reduziert worden, was aber nach neuesten Erkenntnisse weiteren Forschungsbedarf benötigt ist der Ausstoss von Schwefeldioxyd, denn eine Reduzierung scheint die Erwärmung sogar zu befördern.

Windkraftanlagen brauche Deutschland auch nicht, denn sie zerstörten nur die Kulturlandschaft und seien zudem auch noch für Vögel eine tödliche Gefahr. Die Lösung: Die Energiewirtschaft ausnahmslos „dem Markt“ überlassen! Keine Subventionen für umweltfreundliche Energieformen mehr! Das bringe niedrige Strompreise. Auch eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sei kein Tabu.

Die AfD steht nicht nur für „christliche Werte“:

„Dazu gehören unseres Erachtens auch Chancen der Selbstversicherung  durch religiöse Überzeugungen, Heimatliebe und Patriotismus. Sie stärken den  Zusammenhalt unseres freiheitlichen Staates, der von Voraussetzungen lebt, die er selbst  nicht schaffen kann.“

Was beinhaltet laut Wikipedia „Patriotismus“:

Er bezieht sich auf die im staatsbürgerlichen Ethos wurzelnde, zugleich gefühlsbetonte, oft leidenschaftlich gesteigerte Hingabe an das überpersönliche staatliche Ganze, das in dieser Form nicht nur als rechtliche und politische Ordnung, sondern als die den einzelnen tragende Gemeinschaft empfunden wird.“

Die NATO soll so reformiert werden,

und die Streitkräfte der europäischen Partnerstaaten sind so zu restrukturieren, dass sie die Sicherheit in Europa und an seiner Peripherie gewährleisten können.
Nato-Einsätze außerhalb des Bündnisbereichs, an der sich deutsche Streitkräfte beteiligen, sollten grundsätzlich unter einem UN-Mandat stattfinden und nur, wenn deutsche Sicherheitsinteressen berücksichtigt werden.“

Es ist für die AfD ohne Frage: Der Einfluss Deutschlands soll in der Weltpolitik wachsen!!
Das gilt auch für die Weltwirtschaft:

Die Weltwirtschaft will die AfD ebenso marktwirtschaftlich ausrichten wie die inländische Wirtschaftsordnung.

Ob das überhaupt möglich ist?

Innerdeutsch will die AfD so einiges umkrempeln. Das Arbeitslosengeld (ALG) I soll privatisiert werden, statt ALG II („Hartz IV“) soll es eine Grundsicherung geben, die dafür sorgen soll, „dass sich Arbeit wieder lohnt“. Die Bundesagentur für Arbeit soll zugunsten kommunaler Jobcenter abgeschafft werden.

Übrigens: Die Rolle der Familien, sprich der Mütter, soll gestärkt werden, es soll keine Einwanderung (vor allem nicht aus muslimischen Ländern) geben, sondern die Familien sollen gefälligst mehr Kinder haben! Zu diesem Zweck sollen sie unterstützt werden. Je mehr Kinder, desto mehr Vergünstigungen.

Dass diese Politik voraussichtlich vor allem auf den Schultern der Frauen lasten würde, dürfte klar sein. Es wird zwar nicht explizit formuliert, doch hintergründig will die AfD am liebsten die Frau wieder „an den Herd“. Aber dann gefälligst in einer kompletten Familie:

Eine staatliche Finanzierung des selbst gewählten Lebensmodells ‚Alleinerziehend’ lehnen wir jedoch ab. Wir wenden uns entschieden gegen Versuche von Organisationen, Medien und Politik, Alleinerziehende als normalen, fortschrittlichen oder gar erstrebenswerten Lebensentwurf zu propagieren. Der Staat sollte stattdessen das Zusammenleben von Vater,  Mutter und Kindern durch finanzielle Hilfen und Beratung in Krisensituationen stärken. -
Schwerwiegendes Fehlverhalten, welches sich gegen die eheliche Solidarität richtet, muss bei den Scheidungsfolgen berücksichtigt werden.“

Und wenn Einwanderung denn doch erforderlich ist, dann „nach kanadischem Modell“, an den Wirtschaftserfordernissen orientiert. Nicht der Mensch als Migrant wird gesehen, sondern die Arbeitskraft! Und das gilt auch bei Einbürgerung.

Die AfD will ein dreigliedriges Schulsystem, also zurück zu Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Ob das die Eltern akzeptieren würden? Schon jetzt haben in einigen Bundesländern die Hauptschulen kaum noch genügend Schüler, um zu existieren.

Vor Erscheinungen der modernen Zeit müssen die Kinder geschützt werden:

Die Propagierung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das ‚Gender Mainstreaming’. Das traditionelle Familienbild darf dadurch nicht zerstört werden. Unsere Kinder dürfen in der Schule nicht zum Spielball der sexuellen Neigungen einer lauten Minderheit werden.“

Dass Kinder „Spielball sexueller Neigungen“ in Schulen sind, ist ein Gedanke, der mir völlig neu ist! Also: Die Kinder sollen erfahren, dass sie nach Abschluss ihrer Ausbildung gefälligst eine Familie zu gründen haben, denn nur dann sind sie gute Staatsbürger! Aber das Interesse an sexuellen Abläufen soll dabei tabu bleiben. Und Homo- und Transsexuelle gibt es erst gar nicht, wenn die Kinder nicht darüber aufgeklärt werden. So einfach ist das!

Teil 2: Ist denn alles so negativ, was die Partei will?

Man könnte mir vorwerfen, ich habe mit dieser Sicht Vorurteile und übernehme damit den Widerstand, den die Mainstream-Medien und die konkurrierenden Politiker gegen die AfD veröffentlichen.

Interessant ist, dass die Wahlbeteiligung beispielsweise in Sachsen-Anhalt viel höher war als bei früheren Landtagswahlen, was bedeutet, dass Menschen, die wenig Interesse an politischen Vorgängen hatten oder der Meinung waren, ihre Stimme ändere doch nichts oder nicht wussten, welcher Partei sie ihre Stimme geben sollten, jetzt zur Wahl gegangen sind.
Sie hatten und haben Gründe dafür. Der überraschend grosse Zustrom von Flüchtlingen, die oben bereits aufgeführten Ängste, die dadurch entstanden sind, könnten Grund dafür sein. Viele Jetzt-Wähler stammen wahrscheinlich aus den unteren Einkommensschichten, leben von staatlicher Unterstützung oder müssen sich mit unterbezahlten Jobs mühselig über Wasser halten, der kursierende Begriff dafür heisst „Prekariat“. Die Menschen sehen, dass Hundertausende ins Land strömen, oft ohne registriert zu werden, was (teilweise berechtigte?) Kriminalisierungsängste hervorruft und wenn sie registriert werden, dann hören sie, dass die Flüchtlinge und Asylbewerber kostenlos mit Handys inklusive Vertrag ausgestattet werden und auch sonst viele Privilegien erhalten, die sich die unteren Einkommensschichten auch wünschen würden.

Forderungen, nicht nur die Flüchtlinge so zu behandeln, sondern auch die eigene Bevölkerung in die Wohltaten einzubeziehen, wurden bisher abgelehnt. Ein Erfolg gegen die Proteste scheint aber zu sein, dass es eine Grundrente geben soll.

Nach dem Desaster des III. Reiches haben sich die Deutschen mit Nationalgefühlen und Patriotismus schwer getan, zu sehr lasteten die Untaten und der verlorene Krieg auf ihnen. Meines Erachtens zu häufig haben die Politiker dies den Deutschen immer wieder vor Augen geführt.

Dass es damit wieder anders werden soll, scheint ein berechtigtes Anliegen zu sein, zumal Deutschland als führende Wirtschaftsmacht einen Namen hat. Deshalb wird die immer noch zu grosse Abhängigkeit von den USA durchaus richtig in Frage gestellt und sollte diskutiert werden.

Das ist eine politische Frage, die in allen Bevölkerungsschichten diskutiert werden sollte, auch wenn die Politiker immer wieder betonen, wie wichtig die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA sind und wie sie zu unserem Lebensstandard beitragen.

Ich persönlich würde mir eine stärkere Bürgerbeteiligung auch in anderen Fragen wünschen, etwa bei der Macht, die die katholische und evangelische Kirche mit ihrer eigenen „Gerichtsbarkeit“ ausübt, obwohl sich Deutschland als säkularisiertes Land sieht.

Ob „Hartz 4“ wirklich „ein Erfolgsmodell“ ist, wie es die Regierung darstellt, sollte ebenso mehr erforscht werden. Vielleicht gibt es ja bessere Verfahren, den Bedürftigten eine lebenswerte Existenz zu ermöglichen, bzw. andererseits mehr Anreiz dazu geben, sein Brot mit Arbeit zu verdienen und nicht dem Staat auf der Tasche zu liegen.

Vor einigen Jahren war ich persönlich noch sehr davon überzeugt, dass Deutschland eine politische Kraft braucht, die ein Gegengewicht gegen Bankenrettung und Schuldenkrise darstellt und gegen die Nachteile politisiert, die durch die europäische Union auf Deutschland zugekommen sind. Leider sind sie momentan ganz aus dem Focus geraten, obwohl die Schulden, die die kommenden Generationen zu schultern haben werden, immer noch an die Öffentlichkeit gehören.

Dennoch: Ich persönlich sehe in der so genannten Flüchtlingskrise viele Chancen für Völkerverständigung, kulturelle Bereicherung, langfristiges Auffüllen der Rentenkassen und anderes. Wenn bei einer Bevölkerung von ca. 80 Millionen in den nächsten Jahren ein paar Millionen Einwanderer hinzukommen, ist das meines Erachtens verkraftbar. Die Gefahren, die durch die ins Land strömenden Menschen befürchtet werden, sind überzogen dargestellt.

Deshalb ist die AfD keine Partei, die ich wählen würde. Aber: die Wahlerfolge werden bewirken, dass die sich an der Macht befindlichen politischen Kräfte Gedanken darüber machen, warum es sie gibt. Es wird Einsichten geben, die wiederum zu Veränderungen führen werden und Deutschland weiter bringen. „Das Rad zurückdrehen“ sehe ich nicht, auch wenn in einigen Programmteilen die AfD das gern möchte.

Wenn sie beispielsweise ihre Vorstellungen von Familienpolitik durchsetzen wollte, würde auf der anderen Waagschale eine stärkere Bürgerbeteiligung dafür sorgen, dass sie scheitern würde, denn auch wenn die traditionelle Familie immer noch stärker im Vordergrund steht, die Lebensformen haben sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr geändert und auch hier gibt es kein Zurück mehr. Ähnliches gilt für das Thema „Abtreibung“, sexuelle Selbstentfaltung und Erziehung.

Es gibt weitere Bereiche, die die AfD anspricht, die überlegenswert sind.

Meines Erachtens gibt es aber keine einfachen Lösungen bei den Fragen der heutigen Zeit. Es sind so viele Aspekte, Interessen, Entwicklungen usw. zu berücksichtigen. Die AfD setzt teilweise auf zu einfach gedachte politische Prozesse, die Probleme beseitigen würden. Das ist zu kurz gedacht und unrealistisch. Es gibt kein einfaches: “Das ist gut und das ist schlecht und wenn wir das tun, beseitigen wir das Schlechte“ mehr. Einige Gedankengänge sind durchaus diskussionswürdig, viele aber nicht!

 

Quelle: Grundsatzprogrammentwurf der AfD, 23.02.2016

 


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