Textatelier
BLOG vom: 06.06.2015

EXPO Milano: Highspeed-Besuche in vielen Ländern

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
 
Was würde auch mein ehemaliger Deutsch-Lehrer zum oben erwähnten Titel sagen? Er impfte uns vor beinahe 60 Jahren grosse Vorsicht den Fremdwörtern gegenüber ein. Sie zu gebrauchen, sei Glückssache.
 
Glückssache jetzt für mich. Ich suchte nach einem Wort oder Wortspiel, das unser gegenwärtiges Leben charakterisiert und fand es zufällig in einer Comic-Sprechblase. Darin redete eine Figur vom Leben in einer Highspeed-Welt.
 
Alles vollzieht sich heute schnell, schneller als noch vor wenigen Jahren. Viele Orte sind in kurzer Zeit erreichbar. Menschen aus allen Kontinenten können reisen. Viele im Hochgeschwindigkeitszug oder im Flugzeug. Und eine Weltreise an die Expo Milano antreten. Wir reisten in der Eisenbahn dorthin. Zu dritt. In nur 4 Stunden befanden wir uns in Mailand. So nennen wir Milano im Schweizer Dialekt.
 
Nach der Ankunft  blieben wir eine Weile auf dem Perron stehen und liessen die schwungvoll überdachte Bahnhofhalle auf uns wirken. Mitreisende hasteten an uns vorbei, ihren persönlichen Zielen zu. Wir blieben einfach nur stehen, bis aus dem Lautsprecher ein Hinweis ertönte, es stehe kein Zug zur Abfahrt bereit. Bitte nicht einsteigen.
 
Diese Mitteilung, offensichtlich an uns gerichtet, wirkte wie ein Schub. Wir griffen zu den Rollkoffern, verliessen die Halle, fanden unser Hotel in der Nähe. Der Reiseanbieter RAILTOUR hatte unsere Vorgaben umgesetzt, Zimmer im Starhotel E.C.HO reserviert und uns mit den erforderlichen Fahrkarten für Eisenbahn und Metro sowie und auch mit dem Billett für den EXPO-Eintritt ausgerüstet. Wir waren mit allen Dienstleistungen und Informationen sehr zufrieden.
 
Wir reisten mit der Metro ins Ausstellungsgelände. Und dort kam nochmals der Gedanke an eine Weltreise auf. Die Sicherheitskontrolle, wie sie am Flughafen üblich ist, wurde streng durchgeführt. Die Liste aller verbotenen Gegenstände würde hier einige Linien beanspruchen. Wichtig ist zu wissen: Auf dem Expo-Gelände gibt es keine Möglichkeit, Gepäck aufzubewahren.
 
Nach den erwähnten Schleusen trafen wir auf eine Schar Kinder. „Unsere Zukunft“, dachte ich. Wichtig wird sein, was ihnen Lehrer und Begleitpersonen hier vermitteln können. Immer wieder begegneten wir solchen Schwärmen. Begleitet von Spass und Lebensfreude.
 
Über eine hohe Treppe erreichten wir eine breite Brückenrampe. Sie überquerte Bahnlinien und eine Autobahn. Hier spielten Licht und Schatten mit Gittermustern, unterstützt von Sonne und Wind. Gepackt von ihren Bildern, die sie auf die Passerelle warfen, wurden wir nicht müde, empfanden den langen Anmarschweg sogar spannend. Am Abstieg der Passerelle zog uns ein unbekannter Blütenduft an. An der hohen Seitenwand wuchs eine flächendeckende Pflanze; ihre Blüten strömten die verführerischen Düfte aus. Sie verstand es, uns zu stoppen und einen Augenblick bei ihr zu verweilen. Dieser Duft wird noch lange mit der EXPO 2015 verbunden sein. Ein Militärpolizist nannte uns ihren Namen: Jasmin.
 
Auf dem EXPO-Gelände angekommen, zog es Letizia gleich zum Stand von GROM GELATO, dem sogenannt weltweit besten Glacé. Es erfrischte uns und wir wussten: Wir sind angekommen.
 
Danach fügten wir uns in die Hauptstrasse im Ausstellungsgelände ein. Aufgefächerte Sonnensegel überdachen sie. Sie filtern das Licht, ohne das südliche Element in ihm zu verdrängen. Auf dieser breiten Strasse bewegten und bewegen sich sehr viele Menschen, ganz individuell. Wir haben keine Wegweiser, keine Befehle angetroffen. Es gab keine Gänge, wie z. B. in der Metro, wo Weg und Ziel vorgegeben sind. Jede Person entscheidet hier unabhängig, wohin sie gehen will. Mir fiel auf, dass sich alle Menschen, die uns am 1. Tag entgegenkamen, schneller bewegten als wir. Da waren wir noch die Staunenden, eben erst Eingetroffenen. Wir schlenderten, andere gingen zielbewusst einher. Oder befanden sich schon auf dem Rückweg.
 
Wir besuchten das EXPO-Gelände 3 x, jeweils am Nachmittag bis in den Abend hinein.
 
Am 1. Tag suchten wir Übersicht. Aber wir erreichten das Ende der Hauptstrasse noch nicht. (1.5 km lang) Unser Schritt veränderte sich erst am 2. Tag. Es war eine gewisse Übersicht und dazugehörige Zielstrebigkeit in uns gewachsen. Wir wussten jetzt besser, wohin es uns zog. Wir getrauten uns, auch hinter die Fassaden zu schauen, in Seitenwege einzubiegen und Pavillons zu betreten. Und wir mussten einsehen, dass eine so gigantische Ausstellung viele Tage, oder sogar einige Wochen beanspruchen würde, wollte man allen hier anwesenden Ländern gerecht werden.
 
Das Motto der Weltausstellung lautet
DEN PLANETEN ERNÄHREN. ENERGIE FÜR DAS LEBEN.
 
Den Schweizer Pavillon entdeckten wir relativ rasch, und am Abend konnten wir schon beobachten, wie viel von der dort offerierten Nahrung weggenommen worden ist. Die obersten Räume in den Türmen waren beleuchtet.
 
Besucherinnen und Besucher dürfen im Schweizer Pavillon Nahrungsmittel beziehen. Salzpakete aus Schweizer-Salinen, Wasser, Apfelringe, Kaffee.
 
Es wird sich herausstellen, wie es um die Ansprüche der Gäste steht. Soviel ich weiss, dürfen sie dort für sich so viel wegnehmen, wie sie sich vorstellen, was ihnen zustehe. Es geht um das gerechte Verteilen. Wenn viele zu viel nehmen, hat es für andere zu wenig. Wird der eingelagerte Vorrat bis Ende Oktober ausreichen? Wenn die EXPO im Herbst ihre Tore schliesst, wissen wir, wie es um die Verantwortung den Ressourcen gegenüber steht.
 
Gerne würde ich dort oben unsichtbar verweilen und zuschauen, wie sich solche Freiheit manifestiert. Ob sie immer von Rücksicht begleitet ist.
 
Mir gefällt dieser Auftritt meines Heimatlandes. Ich werde bis Ende Oktober aufmerksam bleiben und auf Erfahrungen und Reaktionen achten.
 
Fortsetzung folgt.
 
 
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