Textatelier
BLOG vom: 06.03.2014

Hin- und Rückblicke: Liebe auf ersten und letzten Blick

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
 
Jubeln wir mit Goethe: 
„Vom Eise befreit sind Strom und Bäche,
durch des Frühlings holden belebenden Blick;
im Tale grünet Hoffnungsglück ...“ 
In alten Zeiten war der Blick Glanz, Strahl und Blitz, er konnte verblitzen, und das war böse.
 
Aber nicht nur, manch einer, wie Ferdinand Freiligrath, „kann den Blick nicht von ihr wenden. Ich muss sie anschaun, immerdar.“
 
Ein Blick kann einen Lebensablauf von einem auf den anderen Moment verändern. Die Liebe auf den ersten Blick ist sprichwörtlich, ob sie einen zweiten Blick aushält, ist manchmal fraglich.
 
Wenn Blicke töten könnten, gäbe es nur noch wenige Menschen. Ein Blickkontakt wäre fatal.
 
Blicke lassen sich interpretieren, manche meinen auch lesen, wobei es zu einem trüben Blick kommen kann.
 
Mancher Schweizer wirft morgens einen Blick in den BLICK. Ob er den Informationen in der Boulevardzeitung trauen kann? Anderen Schweizern ist der BLICK keines Blickes würdig.
 
Der feste Blick liebt präpositionale und andere Präfixe und sogar Suffixe. Der Anblick bewirkt immer etwas. Der Ausblick kann einen Überblick bringen, muss er aber nicht. Das Aufblicken zu Idealen ist zuerst ein Hundeblick, nicht selten ein Schlafzimmerblick, wird aber oft getrübt. Ob es ein Dackelblick war? Da hilft oft ein tieferer Einblick. Dann wird der Röntgenblick zum Kennerblick. Vielleicht führt dieser ja zum Überblick, wohl nicht zum Seherblick. Die Konsequenz kann ein Nachblicken sein. Blicken wir uns um, blickt uns jemand mit Adlerblicken nach? Augenblicklich ändern wir den Blickwinkel. Wir würdigen ihm keines Blickes oder riskieren doch einen Blick und strafen ihn mit eisigem Blick. Wir haben alles im Blick, im Feldherrnblick und hüten uns vor dem Tunnelblick, der Seitenblicke verhindert. Fliehen wir vor dem bösen Blick, man kann nie wissen, was die Person im Schilde führt, die ihn wirft.
 
Blicke können sprachlos machen, auch Joseph von Eichendorff dichtete davon: 
Der Blick
Schaust Du mich aus Deinen Augen 
lächelnd wie aus Himmeln an, 
fühl´ ich wohl, dass keine Lippe 
solche Sprache führen kann.
Könnte sie´s auch wörtlich sagen 
was dem Herzen tief entquillt, 
still den Augen aufgetragen 
wird es süsser nur erfüllt
.
Und ich seh´ des Himmels Quelle, 
die mir lang verschlossen war, 
wie sie bricht in reinster Helle 
aus dem reinsten Augenpaar.
Und ich öffne still im Herzen 
alles, alles diesem Blick. 
Und den Abgrund meiner Schmerzen 
füllt er strömend aus mit Glück.
 
War es ein huldreicher, ein vielsagender, ein koketter, ein verständnisvoller Blick? Blickte er ihr wohlgefällig nach?
 
Verwandelte er sich von Sehnsucht getrieben in einen unsteten Blick? Wie der Panther in seinem Käfig bei Rainer Maria Rilke:
 
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält..“
 
Wurde es ein ruheloser Blick, gar ein glasiger? Hat sich sein Blick so umwölkt? War der Blick am Ende doch verschwendet? Wird der Hinblick zum Rückblick?
 
Bei Arthur Schopenhauer reicht schon ein Fernblick zur Aufmunterung:
 
Darum wird auch der von Leidenschaften oder Not und Sorge Gequälte durch einen einzigen freien Blick in die Natur so plötzlich erquickt, erheitert und aufgerichtet: Der Sturm der Leidenschaften, der Drang des Wunsches und der Furcht und alle Qual des Wollens sind dann sogleich auf eine wundervolle Art beschwichtigt.
 
Hoffen wir für den Jüngling, dass er, der Blick, zu einem Blickpunkt in seinem Leben geworden ist. Wer nicht blickt zur rechten Zeit, ist für den Augenblick verloren…!
 
 
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