Textatelier
BLOG vom: 29.06.2013

Mahlen und Malen: Erdfarbene Pigmentbilder von Ch. Kessler

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Das rundbogige Tor zum Ortsmuseum an der Ermitagestrasse 19 im Dorfzentrum von CH-4144 Arlesheim BL stand am 22.06.2013 offen – eine Einladung. Im Erdgeschoss der ehemaligen Trotte, heute ein lebenserfülltes Kulturzentrum mit Krüppelwalmdach im ehemaligen Rebbauerndorf, fesselten mich sogleich erdfarbene Bilder – warme, ineinanderfliessende Farben, Kombinationen, die von der Natur in sandigen Landschaften geschaffen sein könnten – Surrealismus aus der Realität.
 
Als Betrachter müht man sich bei solchen Gelegenheiten nicht mit Interpretationen ab, sondern lässt die aus Pigmenten und Bindemitteln entstandenen psychedelischen Bilder auf sich einwirken, fühlt sich in eine südliche Zone versetzt, wo die Wärme das Pflanzenwachstum unterdrückt und Wettereinflüsse die erstarrte Lava pulverisiert und ausgebreitet haben.
 
Als ich, in Gedanken versunken, den Bilderreigen an den Wänden unter der Holzbalkendecke und an Stellwänden zwischen Trägerbalken an mir vorbeiziehen liess, näherte sich ohne jede Aufdringlichkeit ein Mann mit runder Brille und fragendem Blick, der Kleider in den Farben der Pigmentbilder trug. „Das muss der Künstler sein“ – mit diesen Worten ging ich auf ihn zu. Ja, es war tatsächlich Christian Kessler (63), Werklehrer und Bildhauer aus Gempen (Kanton Solothurn), der sich als gelernter Werkzeugmacher auch aufs Schnitzen, Modellieren, Steinhauen, Metallarbeiten und Zeichnen versteht.
 
Ich liess ihn meine Bewunderung für sein unspektakuläres und dabei wirkungsvolles Kunstschaffen spüren. Er führte mich zu einem Tischchen, auf dem 4 magmatische Steine und die daraus durch Mahlen entstandenen Pigmente in Gläsern vorgestellt wurden. „Sie alle stammen aus Elba“, erläuterte Christian Kessler; er habe sie selber mitgebracht und zerkleinert.
 
Die spektakuläre Geologie der Mittelmeerinsel Elba mit ihrem Mineralienreichtum, welche von Piombino (Italien) aus mit der Autofähre erreicht werden kann, zum toskanischen Archipel gehört und als dessen grösste Perle gilt, ist sprichwörtlich. Hämatit, Limonit, Pyrit, Turmalin, Beryllium, Orthoklas, Quarz usf. sind Daueraufenthalter im Ferienparadies. An eisenhaltigem Gestein gibt es so viel, dass Etrusker dort schon 8 Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung Eisenbergwerke betrieben haben und darauf ihre historische Bedeutung und Grösse aufbauten. Erdgeschichtliche Abfolgen wie Plattenspreizungsprozesse mit ihren tiefmarinen Phasen sind hier lehrbuchmässig freigelegt.
 
Der eisenhaltige Hämatit (Eisenglanz oder Blutstein), der auch, was seinen Namen anbelangt, an Blut und Blutvergiessen erinnert, hat es dem Künstler besonders angetan, versprüht diese Farbe doch eine ausstrahlende Lebenskraft und kontrastiert mit dem Schwefelgelb und dem weisslichen Kalk. Die Bilder, die zwischen 1800 und 3500 CHF kosten, dürften von einer ebenso unvergänglichen Schönheit wie die Naturäusserungen sei, abgesehen davon, dass nichts auf die Ewigkeit angelegt ist.
 
Arlesheim
Arlesheim ist ein recht kompaktes, in die Landschaft zwischen der Birsebene und dem Berg Gspänig eingebettetes Dorf ohne Introvertiertheit, aber mit Beschaulichkeit, die schon vor Jahrhunderten erspürt und genutzt wurde. Denn zu diesem Ort mit dem lebendigen Ortszentrum mit den prächtigen Villen und der barocken Domkirche, die im Rokokostil umgestaltet wurde, der Sinn für die überlieferte bauliche Kultur bekundet, gehören die Ermitage- und Hollenberg-Höhlen, wo Werkzeuge und Mahlsteine aus der Steinzeit gefunden wurden, sowie der „Hohle Felsen“ und das Schloss Birseck. Ein Spaziergang in jenes vom Dorfleben abgegrenzte Refugium lohnt den Aufwand und die Zeit unbedingt. Aus der Kombination von Natur und menschlicher Gestaltungskraft sind in Form von mit Höhlen, Grotten, fliessendem Wasser, Weihern und schützenden Bäumen in einem von Domherr Heinrich von Ligerz, Freiherr Franz Carl von Andlau und Balbina von (vom) Staal angelegten englischen Garten mit lauschigen Plätzen recht komfortable, bezaubernde Voraussetzungen für ein weltentrücktes Eremitendasein entstanden.
 
Wie als krönender Abschluss steht das Schloss Birseck als Spornburg über der Ermitage. Die Anlage mit ihrer leidvollen Historie gehörte ab dem Jahr 1239 Basler Bischöfen, wurde beim Erdbeben von 1356 zerstört und anschliessend wieder aufgebaut. 1793 wurde das burgähnliche Schloss geplündert und von Revolutionären in Brand gesteckt und 1812 noch einmal aufgebaut. Es besitzt u. a. einen Rundturm, einen Wehrgang, einen Rittersaal, eine Schlosskapelle und ist heute im Besitz einer Stiftung, welche Sanierungsarbeiten veranlasst, so in den Jahren 2000 bis 2007.
 
Vom Burghügel aus lässt sich die Baselbieter Landschaft mit Arlesheim überblicken, in die sich allmählich die Stadt Basel ergiesst, so dass Oasen der Ruhe zur Rarität werden. Das Oasen-Austrocknen muss irgendwo sein Ende finden.
 
Hinweis
Dauer der Pigmentbilder-Ausstellung: 14. bis 30. Juni 2013.
 
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