Textatelier
BLOG vom: 24.06.2013

Proteste in Brasilien: Fussballfürst Blatter war schockiert

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Wir wollen Schulen und Krankenhäuser auf FIFA-Niveau“, skandierte ein Demonstrant in Rio de Janeiro. Er war einer von vielen Protestierenden in Brasilien. Es sollen 1 Million Demonstranten in 100 Städten des Landes gewesen sein, die Verbesserungen bei den staatlichen Dienstleistungen, bessere Lebensbedingungen, mehr Bildung und Gesundheitsfürsorge sowie Massnahmen gegen Korruption forderten. Die kurz vorher erhöhten Fahrpreise wurden inzwischen wieder zurückgenommen.
 
„Corrupção Se Cura Com Educação!” (Korruption bekämpft man mit Bildung) stand auf einem Plakat, das eine junge Brasilianerin in Brasilia hoch hielt.
 
Es gab auch Kritik an den teuren Bauvorhaben für die Fussball-WM 2014. Die grösste Menschmenge versammelte sich in Rio (300 000 Personen). Um die Fussballspiele des Confederations-Cups nicht zu gefährden, wurde das Maracana-Stadion von der Polizei abgeriegelt. Die Besucher in diesem Stadion zeigten mit Spruchbändern ihre Solidarität mit den Demonstranten. Auch die brasilianischen Fussball-Nationalspieler erklärten sich solidarisch mit den Demonstranten. Laut einer Umfrage unterstützen 77 % der Brasilianer die Proteste. Inzwischen artete der Protest in einigen Städten in Gewalt aus. Polizisten gingen teilweise brutal vor.
 
Die Präsidentin von Brasilien, Dilma Rousseff, will alles daran setzten, um Verbesserungen für die Bevölkerung zu erzielen. Warten wir einmal ab, was passieren wird. Die Fussball-WM 2014 und die Olympischen Sommerspiele 2016 sind brasilianische Prestigeobjekte, und diese will man auf gar keinen Fall in Frage stellen. Wenn sich nichts oder wenig ändert, werden die Demonstrationen, auch bei den erwähnten Sportveranstaltungen, weitergehen.
 
Wichtig ist, dass man die Bildung vorantreibt und die Armen unterstützt. Warum kann man nicht einen Teil der Einnahmen dafür verwenden?
 
Joseph Blatter war schockiert
In einem Bericht der „Badischen Zeitung“ vom 22.06.2013 wird der Chef des Internationalen Fussball-Weltverbandes (FIFA) als „Fussballfürst“ tituliert. Er war sehr überrascht, dass die Menschen im fussballverrückten Brasilien sich auch gegen die Geschäftemacherei der FIFA wenden. Das darf doch nicht wahr sein, könnte unser „Teflon-Sepp“ oder „Schamlos-Sepp“, wie ihn Eingeweihte nennen, denken. Er kann nicht glauben, dass das Volk so undankbar ist. Vielleicht denkt er so: „Wir veranstalten Benefizspiele, unterstützen Fussballschulen und Mitgliedsverbände. Wir sorgen doch immer für Brot und Spiele. Fussball ist doch wie Opium fürs Volk.“ Das war schon bei den alten Römern so. Den Römern wurde es nie langweilig, sie wurden quasi ruhiggestellt. Kein Wunder, wenn sie „Rauschmittel“ (Spiele, Gladiatorenkämpfe, Wagenrennen) bekamen.
 
Jeder weiss inzwischen, dass in der FIFA die Vetternwirtschaft und Korruption gang und gäbe war. Dem Verband wird eine skrupellose Geschäftemacherei vorgeworfen. Angeprangert werden auch die bei der Planung und dem Bau von Sportstätten gigantischen Kosten und die Verschleuderung von Steuermitteln. Die meisten Sportstätten werden nach den Spielen kaum vernünftig genutzt; viele werden zu Investitionsruinen.
 
Zurück zu Sepp Blatter. Jens Weinreich schrieb in der „Badischen Zeitung“ vom 22.06.2013 Treffendes: „Sepp Blatter verkauft seine korruptionsverseuchte FIFA konsequent als Weltverbesserungsanstalt. Er will mal den Weltfrieden retten, ein andermal die Armut, den Hunger oder den Analphabetismus bekämpfen (…). In Brasilien nehmen sich die Menschen, die diese Zirkusnummer bezahlen, ob nun FIFA-WM oder die Sommerspiele, das Recht heraus, ihre Zukunftshoffnungen zu artikulieren. Das stört Blatter. Denn wofür es sich lohnt zu kämpfen und zu demonstrieren, will er mit seiner Funktionärs-Clique entscheiden.“
 
Kicker-Idol und Parlamentsabgeordneter Romário de Souza Faria ging mit der FIFA scharf ins Gericht. „Die FIFA kommt in unser Land und errichtet einen Staat im Staate. Sie bauen einen Zirkus auf, haben keine Auslagen und nehmen alles mit.“ Auch seine Politikerkollegen bekamen ihr Fett ab. Er äusserte: „Jetzt müssten sie ein für allemal verstehen, dass die Tage des Betrügens, der Verlogenheiten und vor allem des fehlenden Respekts für das Volk vorbei sind“ (Auszug aus einer Videobotschaft auf YouTube).
 
Jetzt wurden Zahlen bekannt, die man schier nicht glauben kann. In den Ausbau von Stadien und anderen Prestigeobjekten wurden für die Fussball-WM 2014 etwa 2,4 Milliarden Euro verbuddelt. Was könnte man mit diesem Betrag alles schaffen? 8000 neue Schulen bauen oder 39 000 kleine Schulbusse kaufen oder 2800 Sportfelder errichten.
 
 
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