Textatelier
BLOG vom: 01.06.2012

Bahnverkehr im Miniformat: Hamburg fürs Kind im Manne

Autor: Richard G. Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Wohin gehen gestandene Männer bei einem Besuch in Hamburg? Nicht nach St. Pauli!
Sie gehen zum Miniatur Wunderland (MiWuLa)!
 
Nur wenige Haltestellen mit der U3 Richtung Barmbek und ein paar Schritte, und sie sind in der Speicherstadt. Es ist – nach eigenen Angaben ‒ die grösste Modelleisenbahn in der Welt. Sie hat die Grösse HO. Alle Modelleisenbahn-Begeisterten wissen jetzt genau, was damit gemeint ist, nämlich die Grösse im Massstab 1:87.
 
Superlative, wohin man blickt: Auf der 1300 m2 grossen Anlagenfläche liegen insgesamt 13 km Gleise, auf denen 930 digital gesteuerte Züge verkehren, die in bisher mehr als 500 000 Arbeitsstunden mit Hunderttausenden von Details gebaut wurden. Im vorläufigen Endausbau, der etwa im Jahr 2020 erreicht sein soll, soll die Anlagengrösse über 2300 m² mit über 20 km Gleisen betragen. Es wird ein Tagesablauf simuliert, bei dem sich alle 15 Minuten Dämmerung, Nacht und Tag wiederholen. Dazu gehört eine automatische Lichtsteuerung, die die über 300 000 Lämpchen zur Tageszeit passend schaltet. Die 120 Quadratmeter grosse Fantasiestadt Knuffingen mit zirka 6000 Einwohnern und ihrem Flughafen ist mit über 100 beweglichen Modellautos ausgestattet, darunter auch zahlreiche Feuerwehrfahrzeuge, mit denen in Knuffingen im Schnitt alle 10 Minuten ein Feuerwehreinsatz simuliert wird.
 
Ich war mit meinem Enkelkind dort. Man geht im Speicherhaus ins 3. Stockwerk. Zuerst einmal: Wir kamen ohne Wartezeit hinein, hatten wohl die richtige Tageszeit ausgesucht. Ich bezahlte 8 Euro pro Person. Beim nächsten Besuch wird davon ein Euro angerechnet. Schon der Laden, in dem alles, was man zum Modellbahnbau benötigt und noch einiges mehr verkauft wird, war voll. Zur Anlage ging man eine Etage höher. Mein erster Eindruck: Viele Männer aller Altersstufen, auch ohne Anhang; Familien mit Kindern, relativ wenig Frauen.
 
Die Anlage ist in mehreren Räumen verteilt, teilweise über 2 Etagen. Kinder können sich vor dem Geländer auf eine Holzleiste stellen, ähnlich einer Kniebank in der Kirche. Die einzelnen Räume haben Themen: Die Schweiz (Tessin), Knuffingen Airport und Stadt; Bayern, Österreich, Mitteldeutschland, Hamburg, Amerika und Skandinavien.
 
Ein Vermerk im Prospekt: Die Darstellungen entspringen grösstenteils unserer Fantasie. Ähnlichkeiten mit realen Bauten, Gegenden und Szenarien des „wahren“ Lebens sind durchaus beabsichtigt, erheben aber keinen Anspruch auf Originaltreue und Vollständigkeit.
 
Fast überall, wo es etwas mehr zu sehen gibt als ein Gleis, drängten sich die Zuschauer. Ich musste mich immer durchzwängen, um meinen Enkel auf die Holzleiste zu bekommen.
 
Alle möglichen Züge fahren: ICE, Personenzüge, Amtrak (USA), Güterzüge aller Art, einer mit Feuerwehrautos auf den Waggons und sogar ein Strandzug: an einem Strand tummeln sich auf den Ladebrücken Badegäste, liegen auf Decken und spielen.
 
Über die gesamte Anlage verteilt findet man mehr als 150 „Knopfdruckaktionen“. Dies sind animierte Szenen und Effekte, die man durch Betätigung eines Druckknopfes aktivieren kann, z. B. die Beleuchtung von einer Tropfsteinhöhle oder eines Bergwerks unter Tage, von Ölförderanlagen, Kirmesaktionen.
 
Was zog mein Enkelkind besonders an? Im Raum „Schweiz“ ist die Schokoladefabrik Lindt aufgebaut, und wenn man den Knopf drückt, startet die Fliessbandanlage und nach einigen Minuten wirft die Maschine tatsächlich ein kleines Stück Schokolade aus. Er wollte gar nicht wieder weg davon, mindestens 3 Stückchen hat er ergattert.
 
Es gibt nicht nur Schienen und Züge, sondern auch Strassen, auf denen allerhand passiert. Die Autos halten bei Rot an Ampelanlagen, fahren bei Grün weiter. Es gibt Unfälle, ein Auto war gegen einen Baum gefahren und alle möglichen Rettungswagen bemühen sich darum. An mehreren Stellen der verschiedenen Räume gibt es Brände, entweder in einem Haus, bei einem Lastkraftwagen, auf einer Grasfläche neben einer 4-spurigen Strasse. Schnell kommen die Feuerwehrwagen, die Polizei usw. mit Tatütata herangefahren, sperren die Strasse und löschen das Feuer, auch wenn man nicht sieht, wie die Feuerwehrleute die Schläuche heraus holen, dafür sind die Modelle doch zu klein. Gut gemacht ist an einer Stelle, wie Feuerwehr und Rettungswagen auf einer 4-spurigen Autobahn in der anderen Richtung heranfahren, und wenn alle anderen Verkehrsteilnehmer anhalten, in einem eleganten Bogen die Richtung ändern, um den Brandherd zu erreichen. Der Rauch hört nach einiger Zeit auf, die Feuer, durch Leuchtdioden angezeigt, erlöschen. Das war spannender als die Züge, die in zeitlichen Abständen vorbei fahren, nur wenn 3 oder 4 nebeneinander auf Gleisen verschiedenen Höhen fahren, fand er es interessant.
 
Neben Ortschaften aller Art mit Fachwerkhäusern, Fabriken, Läden, aber auch Wolkenkratzern usw. kann man je nach Gebiet Gebirge und Schluchten mit hohen Brücken bewundern. In „Amerika“ sieht man neben den Rocky Mountains den Berg mit den in Fels gehauenen Präsidenten. Zudem ist eine grosse Arena auszumachen, in der lautsatark Fussball gespielt wird, sogar ein „echtes“ Hafen- und Meeresgebiet mit Wasser findet sich „in Skandinavien“, nicht zu vergessen der Flughafen Knuffingen mit startenden und landenden Flugzeugen.
 
Es wird fleissig weiter gebaut; noch sind 4 Bauabschnitte bis 2020 geplant. Man kann dort einen ganzen Tag verbringen und immer noch viele Details entdecken, z. B. das Dinoskelett, eine Wasserleiche, einen Weihnachtsmann oder die Alphornbläser.
 
Mein Enkelkind war jedenfalls nach einigen Stunden richtig müde und erzählte seiner Mutter, meiner Tochter, begeistert von den Feuerwehreinsätzen.
 
Männer können sich übrigens auch vor einen Monitor setzen und einen Zug steuern. Die Anlage wird vermutlich auch überwiegend durch Männer entworfen und gebaut. Denn wer spielt oft am liebsten mit der Modelleisenbahn zu Hause? Raten Sie einmal!
 
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