Textatelier
BLOG vom: 23.04.2011

Streubomben: Wenn 2 das Gleiche tun, ist's nicht das Gleiche

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Ein Riesenaufruhr in den westlichen Medien: Muammar al-Gaddafi setze angeblich Streubomben ein. Mindestens 3 Mörsergranaten mit Streumunition seien in der Nacht auf den 13.04.2011 über der umkämpften Stadt Misrata explodiert. Ein Skandal. Streumunition (auch Clusterbomben oder Kassettenbomben, engl. „cluster bomb“, „cluster bomb unit“ oder „CBU“) gehören zu den verheerendsten Waffenarten der Welt.
 
Die Aufregung war berechtigt, falls die Meldungen stimmen. Aber als Israel genau die gleiche Munition, die zu einem guten Teil (bis zu 40 Prozent) als Blindgänger liegen bleibt, im Krieg gegen den Libanon in enormen Mengen einsetzte, nahmen das unsere Qualitätsmedien praktisch kommentarlos hin. Wie bereits in meinem Blog vom 21.05.2008 („Streubomben-Konferenz Dublin: Abwesende und Verwässerer“) dargestellt habe, verwendeten bisher die folgenden Länder Streumunition: die Grossmächte USA, Russland, China, ferner Israel, Indien, Pakistan und Jugoslawien. Laut Uno-Schätzungen sollen bisher 13 000 Menschen, darunter viele Kinder, durch Streubomben ums Leben gekommen sein, die meisten in Laos, Vietnam, Afghanistan, im Irak und im Libanon. Die USA setzten Clusterbomben auch 1999 im Kosovokrieg ein.
 
Am 01.08.2010 trat das internationale Übereinkommen über Streumunition als Teil des Völkerrechts und des Rüstungskontrollrechts in Kraft, das bisher von 50 Staaten ratifiziert wurde. Nichts davon wissen wollen die USA, Russland, China, Israel, Indien, Pakistan und Brasilien, also die grössten Produzenten und Anwender von Streubomben.
 
Streubomben-Abwürfe sind ein Kriegsverbrechen. Aber sie sind nicht nur eine hoch kriminelle Tat, wenn sie Länder wie Libyen einsetzen, sondern nicht minder, wenn sich Israel, die USA, Russland, China und Konsorten daran vergreifen. So haben zum Beispiel die USA in dem von ihnen auf der Grundlage von Lügen angezettelten Irakkrieg 4000 der hochexplosiven Mini-Bomben, aus denen 200 bis 1000 kleinere Sprengsätze herausgeschleudert werden und planlos alles töten, was ihnen in die Quere kommt, auch auf engste Räume in dicht besiedelten Gebieten abgeschossen. Die westlichen Medien hatten, abgesehen von wenigen Ausnahmen, gerade anderes zu tun als sich darüber zu entsetzen. Und nach dem angeblichen Abwurf einiger Streubomben durch Gaddafi entblödete sich Hillary Clinton nicht, dies von sich zu geben: „Bei Oberst Gaddafi und seinen Leuten wundert mich nichts mehr.“ Amerika könnte mit solchen Ablenkunsgmanövern aufhören, so lange es selber vor keinem Kriegsverbrechen zurückschreckt.
 
Aber mich verwundert auch bei Barack Obama und seiner Crew nichts mehr. Und nichts mehr verwundert mich auch angesichts des schäbigen, unterwürfigen und unethischen Verhaltens unserer westlichen, den USA hofierenden Medien. Ich ertrage diese Einseitigkeit und ihre unbedingte Parteinahme zugunsten von USA/Israel nicht mehr. Wir sind nicht besser orientiert als die Nordkoreaner und die Menschen in den diktatorisch gelenkten Erdölstaaten. Die westlichen Medien unterziehen sich freiwillig einer durch nichts zu rechtfertigenden Selbstzensur. Sie halten sich mit ihrer Kritik nur gegen Staaten, die auf der US-Abschussliste stehen, nicht zurück – da sind sie dann ganz stark. Aber insbesondere wo die USA, die in göttlicher Erhabenheit über der übrigen Menschheit thronen, die ihre schmutzigen Finger überall im Spiele haben, wird ängstlich gekuscht, weggesehen, totgeschwiegen. Es wird stillschweigend akzeptiert, dass die US-Aussenpolitik auf Gewalt auch über die externe Einsatztruppe Nato aufgebaut ist. Wer sich den Weltsheriffs nicht freiwillig unterwirft, wie das Europa tut, bekommt die gewaltbestimmte Überlegenheit zu spüren, was allein schon am Beispiel Kuba aufzuzeigen wäre. Die Sphären der lebenswichtigen Interessen zur Festigung des American Way of life im Schuldensumpf, der gründlich Schiffbruch erlitten hat, werden global nach wie vor anerkannt und finanziert, koste es, so viel es wolle. Amerikan kann sich alles leisten; einen guten Ruf hat diese Nation ohnehin nicht mehr zu verlieren.
 
Das Trauerspiel der verzerrenden Berichterstattung und Kommentierung erlebt man auch bei der Kernenergie, insbesondere seit Japan von einem verheerenden Seebeben mit nachfolgendem Tsunami heimgesucht wurde. Die Atomkraftwerke müssen weg, heisst es jetzt fast unisono. Aber über das gigantische Potenzial an thermonuklearen Waffen, bei deren Vermehrung die USA alle Rekorde gebrochen haben, mit denen sie liederlich umgehen und mit denen die ganze Menschheit mehrfach ausgerottet werden könnte und die im Bedarfsfall zweifellos auch eingesetzt würden (siehe Japan: Hiroshima und Nagasaki), bleibt von der westmedialen Kritik praktisch unbehelligt.
 
So lange sich die Politiker und die öffentlichen Meinungsbildner in unseren Breitengraden freiwillig so verhalten wie es unfreiwillig die Medien hinter dem Eisernen Vorhang und in anderen totalitären Gebilden taten oder tun, kann es nie zu Gerechtigkeit und einem Weltfrieden kommen. Wörter wie Wahrhaftigkeit stehen nicht mehr im modernen Vokabular. Es grassiert stattdessen eine Spezialausgabe der Apartheid, eine Trennung in Schwarz und Weiss. Lob und Kritik ergeben sich aus der Rassentrennung und nicht etwa aus dem Verhalten oder dem Bemühen um eine Urteilsfindung nach einheitlichen Kriterien der Ethik.
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Liebe Leser, schreiben Sie den von Ihnen genutzten Medien, wenn Sie einseitig, verzerrend informiert werden. Machen Sie die Schriftleiter darauf aufmerksam, dass sie nicht nur infantile Nutzer haben! Und falls Sie nichts bewirken können, wäre es wohl sinnvoll, die Abonnementsgebühr einzusparen und das Geld humanitären Zwecken zuzuführen – zum Beispiel für die Tausende von bedauernswerten Menschen, die durch Streubomben oder Streubomben-Blindgänger Glieder verloren haben oder sonst körperlich und psychisch schwer geschädigt wurden.
 
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