Textatelier
BLOG vom: 11.11.2010

Blätter an den Bäumen, am Boden und aus der Druckerei

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Es regnet. Letzte Blätter fallen von den Bäumen. Gestern noch raschelte es, als wir durch den Wald liefen. Wie bald wird sich das Laub am Boden in Matsch verwandeln und nach und nach zu neuer Erde werden.
 
Vorbei ist die Lust meiner 4- bis 6-jährigen Nachbarskinder, die sich in der vergangenen Woche in den Laubhaufen zweier Bäume fallen liessen, dazu jauchzten und sangen. Einen Tag später dann sassen sie, bis zum Oberkörper bedeckt, in ihm. Erstaunlich still. Das Wort „daheim“ könnte nicht schöner dargestellt werden. Auch darum, weil die Blätter nicht weggeführt, sondern den beiden Stämmen als Schutz und Nahrung zu Füssen gelassen werden. In meinen Augen sind diese Bäume ein Liebes- oder Elternpaar. Ein weit ausholender Ast der grösser gewachsenen Esche beschützt die gedrungene Hagebuche gut sichtbar. Und sie wiederum neigt sich ihm zu.
 
Ganzjährig raschelt es im Papierblätterwald. Aber auch da fallen täglich Blätter ab: Die Zeitungen und Zeitschriften, sogenannte Leibblätter, Wochen- und Monatsblätter inklusive Reklameblätter, liegen in der Stube oder im Büro auf oder herum. Sie zu durchforsten ist der Lust, in die Laubhaufen zu springen, sehr ähnlich. Ohne Papiere, ohne Buchstaben, Worte und Geschichten zu leben, kann ich mir gar nicht vorstellen. Der Computer ist nur die Ergänzung dazu. Das raschelnde Papier und vor allem Texte, die in Händen gehalten werden können, das ist für mich die wirkliche Lektüre. Erfassen, begreifen, diese Worte gehören dazu.
 
Die Tageszeitung kommt uns da entgegen. Ihre Mitteilungen sind in Bünde gefasst. Primo und ich können sie individuell lesen. Er beginnt meist hinten und ich vorn. In der Mitte angelangt, werden sie mit allerlei Hinweisen ausgetauscht. Lustiges und Kurioses wird aber sofort vorgelesen. So beginnt unser Frühstück, unser Tag.
 
Oft nehme ich mir vor, Berichte, die wertvolle Informationen enthalten oder in einer wohlklingenden Sprache geschrieben sind, aufzubewahren. Da ich sie meinem Ehemann nicht vorenthalten will, nehme ich solche Blätter nicht sofort an mich. Und vergesse sie. Und wenn ich mich an sie erinnere, ist es oft zu spät. Sie wurden schon weggetragen. Denn einmal in der Woche werden auch sie zu einem grossen Haufen zusammengeschichtet und alle 2 Wochen der Wiederverwertung abgeliefert.
 
Und die Buchstaben, was geschieht mit ihnen? Zu Zeiten des Handsatzes wurden sie wiederverwendet. Jede einzelne Letter an ihren angestammten Ort in den Setzkasten zurückgelegt. Und später, zu Zeiten des Bleisatzes, wurden die Zeilen zur Wiederverwendung eingeschmolzen.
 
Wie ist das eigentlich mit den Buchstaben und Texten aus dem Computer? Wo werden sie wiederverwertet? Die Delete-Taste wird kaum alles löschen können, was dem Stromgehirn schon anvertraut worden ist. Ergeht es ihnen wie unseren Gedanken, von denen wir ebenfalls nicht wissen können, wo sie aufgefangen, verwendet und ob vielleicht Teile von ihnen vor dem totalen Zerfall gerettet werden.
 
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