Textatelier
BLOG vom: 11.04.2009

Sérénade de sérénité – Die Serenade der Gelassenheit

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Gestern flog mir der Titel „Sérénade de sérénité“ zuerst auf Französisch an, genau im Augenblick, als meine Gelassenheit ganz am Ende des Tages von einem Augenblick zum andern verfloss. Wenige Stunden zuvor hatte ich sehr gelassen, wenn nicht gar träge, unter der Sonne im Garten gesessen, habe dem Gezirp der Vögel gelauscht, einer Riesenhummel zugeschaut, wie sie sich an ein Blatt gekrallt mit den Hinterbeinen ihre kurzen Flügel glättete und auch ausgiebig ihre Antennen und Saugrüssel putzte, ehe sie schwerfällig weiterflog, dem Nektar zu. Die Knospen der Reben sind am Platzen: ein für mich erfreulicher Anblick. Ich war zufrieden mit mir, denn es war mir erst noch gelungen, den überwinterten Rasenmäher, diesmal mit einem einzigen Zug, in Gang zu bringen, ohne mir die Schultern zu verrenken.
 
Warum denn dieser abrupte Stimmungswechsel? Das Essen wartete auf mich und Lily auch. Ein Telefonüberfall um den anderen riss mich aus der Ruhe. Mir schien, die ganze Welt wollte mir etwas andrehen: Versicherungspolice, Lottogewinne wurden mir in Aussicht gestellt usf. – alle Angebote wurden vom Band gesprochen. Natürlich klemmte ich sofort ab, legte den Hörer auf die Gabel – denn ich wollte zu meiner eigenen Gabel kommen, zum Kartoffelstock mit frisch gekochtem Gemüse durchmengt und mit 3 Spiegeleiern gekrönt. Ich war dabei, mir ein Glas Wein einzuschenken, als es schon wieder klingelte, diesmal an der Türe. Jemand wollte mir unbedingt frische Fische verkaufen. Wären es Rollmöpse gewesen, hätte ich vielleicht angebissen.
 
„Was ist mir dir los“, schalt ich mich, „wegen solcher Bagatellen gehässig zu werden …?“ Nun fand ich meine gute Laune bald wieder. Nach dem Essen beschaute ich die Lithographie, die ich am Vormittag von Dreckspuren und Stockflecken befreit hatte und die mich jetzt im aufpolierten Eichenrahmen an meine Jugendjahre in Basel und Umgebung erinnerte. Tatsächlich eine Serenade der Beschaulichkeit zeigte das Bild: einige alte Häuser standen an den Flusslauf geschmiegt, dahinter von einer 2-türmigen Kathedrale überragt, und weiter hinten von einer Festung auf einer Anhöhe beschützt. Im Vordergrund wies eine Steinbrücke zur anderen Uferseite, vom Format der Lithographie jedoch halbwegs unterbrochen.
 
Das musste doch der Rhein sein, spekulierte ich, vielleicht Stein-Säckingen? Nein, dort gab es eine andere alte Brücke, wenn ich mich recht erinnere, überdacht und aus Holz gebaut. Die Festung konnte die „Rempart“ von Belfort sein, aber diese liegt nicht so dicht beim Rhein. Auch Colmar und Strassburg schieden aus. Ich grüble gern. „Wir werden den Ort schon finden“, dachte ich mir. Über die Ostertage werde ich die alte Landkarte von Süddeutschland, die auch die französische Rheinseite zeigt, einsehen und nachher Möglichkeiten im Google nachspüren. Somit habe ich meine Osterreise im Visier meiner Vorschau, und kann ruhig zu Hause bleiben, abseits vom Stau und Gedränge.
 
Es tut mir immer gut, wenn ich mich nach eigener Lust und Laune unterhalten kann, abseits des Pflichtenhefts. Ostern ist dazu geschaffen, wie der Frühling auch meine Gedankenknospen zum Schwellen zu bringen und zu Missmut vertreiben.
 
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