Textatelier
BLOG vom: 18.02.2009

Werbemassnahmen gegen Verletzung atheistischer Gefühle

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wo es eine Religionsfreiheit gibt, kann jeder Mensch seine ihm zusagende Religion, Sekte oder religiöse Vereinigung frei auswählen, und dazu gehört natürlich auch, von alledem die Hände lassen zu dürfen und sein Leben in ethischer Selbstverantwortung als Heide zu geniessen. Gegen die Unterwerfung unter einen Glauben sprechen Jahrhunderte lange Erfahrungen mit den intoleranten Religionen, welche die Menschen ausgenommen, verängstigt, unterdrückt und in die endlosen Religionskriege hineingezogen haben. Es ist ekelhaft, miterleben zu müssen, wie noch heute immer wieder Religionsstreitereien entstehen, selbst innerkirchliche, wenn ein Würdenträger nicht spurt, und bis hin zu Kopftuch- und Minarett-Diskussionen und zum schulischen Schwimmunterricht in Badeanzügen. Und weltliche Steuerbehörden müssen noch die Kirchensteuer von Christen eintreiben – eine Zumutung.
 
Zum Kerngeschäft der Religionen gehört die Einflussnahme auf das Leben der Menschen. Sie mischen sich ein, ihre Macht- und Finanzinteressen verfolgend, was wiederum zu neuen Auseinandersetzungen führt. Nach all meinen Beobachtungen haben die Religionen mehr zum Elend als zum Wohlbefinden der Menschheit beigetragen, auch wenn es durchaus Pfarrer und religiöse Organisationen gibt, die nicht Not erzeugten, sondern tatsächlich Hilfe in der Not bringen. Deshalb wäre es vermessen, für eine Abschaffung der Religionen zu plädieren, die ja mit ihrem mehr oder weniger ausgeprägten Fundamentalismus in alle Lebensbereiche eingreifen – von der Wiege bis zur Bahre. Und in der Zeit dazwischen auch. Viele Familien- und Verwandtschaftszwiste und persönliche Feindschaften haben einen religiösen Hintergrund, sozusagen familiäre Bürgerkriege. Jedermann kennt Beispiele aus seinem persönlichen Umfeld.
 
Seit Martin Luthers dringend fälliger Reformation nicht allein wegen des Ablassgeschäfts haben die christlichen Kirchen erfreulicherweise an Macht eingebüsst. Bei fortgesetzter Aufklärung haben sich in den letzteren Jahrzehnten viele Menschen aus dem kirchlichen Würgegriff befreit, dieser traditionellen und oft kaum hinterfragten Last aus der Kindheit. Und wenn der Vatikan das Mittelalter wieder aufleben lassen will (wie etwa zur Informationsbeschaffung durch Einzelbeichten), dann findet er nicht nur keinen Anklang, sondern vertreibt bloss weitere Kunden, die den Trick zur Informationsbeschaffung an der Front durchschaut haben. Die Bibel mit ihrer Rechtfertigung von Massakern, Angriffskriegen, Völkermorden und Rassismus, die auch die neuzeitliche Politik prägen, kann kein taugliches Fundament für ein Leben in Frieden und mit Anstand sein. Die Kirchenführer sind seit Jahrtausenden dabei, Sinnvolles zu extrahieren und Unmenschlichkeiten aus der Schrift zu negieren. Auch die Liebe zur Natur ist in diesem Werk weitgehend in den Flammen verachtender Gleichnisse umgekommen.
 
Bei ihrem Macht- und Einkommensschwund haben sich die Kirchen der Werbung bedient, wie es sich im Zeitalter des Neoliberalismus gehört, wenn die Geschäfte zu stottern beginnen. Kirchliche Werbung ist selbstverständlich erlaubt, auch wenn damit atheistische Gefühle verletzt werden. Man sollte nicht zimperlich sein. Man muss ja auch sonst viel Werbung ertragen, die bloss darauf hinzuwirken scheint, dass man eine Abneigung gegen das beworbene Produkt entwickeln soll. Man weiss dann immerhin, dass man intensiv beworbene Produkte nicht kaufen soll, weil sie zu teuer sein müssen, weil die Werbekosten auf den Preis geschlagen werden. Und die Werbebotschaften glaubt ohnehin kein Knochen mehr.
 
Wenn schon religiöse Werbung erlaubt ist – und dagegen spricht in einem freien Land nichts, wie gesagt – muss logischerweise auch die atheistische Reklame gestattet sein. In England ist dies der Fall. Ausgerechnet in jenem vom Puritanismus gezeichneten Land ist auf roten Bussen oder an U-Bahn-Fassaden etwa dies zu lesen: „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Also hör auf, Dir Sorgen zu machen, und geniesse Dein Leben!“
 
Vielleicht sind solche lebensfrohen Botschaften eine Folge des aufkeimenden Zivilreligionen-Jahrmarkts nach Vorgaben der USA („God’s own nation“), wie sie auch zu uns herüberschwappen, wo Gottes Beistand bei jeder Gelegenheit theatralisch angerufen wird („In God we trust“), auch wenn dann das nachfolgende Handeln nicht in jedem Sinne gottgefällig ausfällt und allerhand Schafe geschlachtet werden. Das alles ist dann göttlich legitimiert. Der religiöse Anteil an der politischen Kultur durch ein Herunterbeten religiöser Sprüche nimmt zu, über Amerika hinaus.
 
Das Werbegeschehen in England hat auch die Freidenker-Vereinigung der Schweiz (FVS) (www.freidenker.ch) dazu inspiriert, ebenfalls eine Werbung für die Gottlosigkeit zu starten. Das passt in ihr Konzept, bietet sie doch u. a. auch Hilfestellung, wenn jemand den Kirchenaustritt erwägt. Doch weil die Religionen mit einem Tabu geschützt sind und Verstösse dagegen Höllenstrafen nach sich ziehen können, dürfte es für sie schwierig sein, für plakative Botschaften eine irdische Projektionsfläche zu finden, falls das Geld dafür zusammen kommt und die geplante Kampagne im Sommer 2009 überhaupt gestartet werden kann. Sollte dies gelingen, wird es selbstredend zu Gegenkampagnen durch standhafte Christen kommen, und dann haben wir wieder einen Religionskrieg mehr. Aber darauf kommt es ja auch nicht mehr an.
 
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