Textatelier
BLOG vom: 13.12.2008

12. Dezember 2008: Ein News-Tag, ganz wie jeder andere

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Die Nachrichten vom Freitag, 12.12.2008, einem Tag wie jeder andere:
 
1. Autos, die die Welt nicht erträgt
Mit 52 zu 35 Stimmen ist das 14 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket für die angeschlagene US-Autoindustrie im Senat geplatzt. Damit ist das Schicksal der vom Bankrott bedrohten Branchenriesen General Motors und Chrysler ungewiss. Die Einigung im Senat scheiterte an der Weigerung der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW), die von den Republikanern geforderten tiefgreifenden Lohnkürzungen zu akzeptieren. Damit sollten die Lohnkosten auf das Niveau der japanischen Anbieter in den USA gesenkt werden. UAW erklärte sich laut republikanischen Angaben zwar zu den Lohnsenkungen bereit, jedoch nicht wie gefordert bereits im kommenden Jahr 2009, sondern frühestens 2011.
Quellen: focus.de, AP, DPA
 
Kommentar: Die Amerikaner bauen Autos, welche die Welt nicht braucht und nicht erträgt. Diese US-Autoindustrie hat sich bisher allen Neuerungen, die auf eine bessere Umweltverträglichkeit abzielten, widersetzt, die Hybrid-Fahrzeuge aus Asien als PR-Gag bezeichnet und Klimadiskussionen als lächerlich bezeichnet. Diese Autofirmen haben sich nicht nur gegen jede Ausrichtung auf eine bessere Energieverwertung widersetzt, sondern im Gegenteil angekündigt, vor Gericht gegen neue, verschärfte Abgasvorschriften und andere Umweltschutzbestimmungen von Kalifornien und 15 anderen Bundesstaaten vorzugehen. Dafür reicht das Geld offenbar aus. Es wäre schön, wenn eine Industrie, die solch eine Politik betreibt, vollständig verschwinden und das Feld verantwortungsbewussteren Autoproduzenten überlassen würde.
 
2: Börsen-Reaktionen
Das Scheitern des Rettungspakets für die US-Autobranche hat die Börsen in Fernost deutlich ins Minus gedrückt. Der insgesamt 225 Werte umfassende Nikkei-Index büsste daraufhin 5,6 Prozent ein und schloss bei nur 8.236 Punkten. Börsianer fürchten eine deutliche Verschärfung der Wirtschaftskrise, sollten die Fahrzeughersteller pleitegehen. Der Markt in Tokio gab mehr als die Hälfte seiner Kursgewinne dieser Woche wieder ab. Der Dollar sank zum Yen auf ein 13-Jahres-Tief. Bei der börsianischen, krankhaften Nachahmerei sind am Freitag dann gleich auch die europäischen Märkte um 3 bis 4 Prozent, ausgehend vom abgrundtiefen Niveau, eingebrochen … in Erwartung dessen, was dann am Nachmittag MEZ aus den USA auf sie zukommen würde, das in vorauseilendem Gehorsam konsequent nachvollzogen wird. Am Abend sah es dann weit weniger dramatisch aus.
Quellen: Welt online, www.swissquote.ch, pressetext (pte), wh.
 
Kommentar: Meines Erachtens handelte es sich um eine der klassischen Fehleinschätzungen durch die Börsianer, wie sie an der Tagesordnung sind, diesmal vor allem ausserhalb der USA. Wegen der Finanzkrise (Wort des Jahres 2008) werden eindeutig weniger Autos gekauft, schon weil es für die pumpenden Amerikaner schwieriger sein dürfte, ihre Schuldenwirtschaft ins Unendliche auszubauen – auch wenn das Leben auf Kredit möglichst wie über die Verhältnisse hinaus im nationalen Interesse ist. Doch abgesehen davon, werden weltweit gleich viele Autos gekauft, ob die US-Dreckschleudern noch angeboten werden oder nicht. Das heisst, dass die übrigen, erfolgreichen Firmen mit vernünftigeren Angeboten vom Verschwinden des US-Angebots profitieren werden.
 
3. Der frühere Nasdaq-Boss
Ein ehemaliger Chef der US-Technologiebörse Nasdaq ist festgenommen worden. Bernard Madoff wird verdächtigt, Investoren um mindestens 50 Milliarden Dollar geprellt zu haben. Madoff wurde später wieder freigelassen – gegen eine Kaution in Höhe von 10 Millionen Dollar.
Quellen: Welt online, AP
 
Kommentar: Auch für Amerikaner gilt die Unschuldsvermutung. Auch wenn man mit dieser Vermutung allmählich seine liebe Mühe hat.
 
4. Streichkonzert bei der Bank of America
Die Bank of America Corp. (ISIN US0605051046/ WKN 858388) gab bekannt, dass sie beabsichtigt, im Zusammenhang mit der laufenden Übernahme der Merrill Lynch & Co. Inc. (ISIN US5901881087/ WKN 852935) und dem schwachen wirtschaftlichen Umfeld eine signifikante Zahl von Arbeitsplätzen abzubauen. Den Angaben zufolge sollen in den nächsten 3 Jahren schätzungsweise 30 000 bis 35 000 Stellen gestrichen werden, wobei der endgültige Umfang des Stellenabbaus nicht vor Anfang 2009 entschieden sein wird. Gemeinsam beschäftigen die Bank of America und Merrill Lynch insgesamt rund 308 000 Mitarbeiter.
Quelle: aktiencheck.de AG, Webseiten: www.bankofamerica.com und www.ml.com
 
Kommentar:
Grossbanken aus dem Ausland, die in den USA tätig sind, gehen noch schwierigeren Zeiten entgegen. Wie schon in der Vergangenheit, dürfte in Zukunft noch verstärkt versucht werden, unliebsame Konkurrenten mit Herabstufungen und der verlässlichen Hilfe der Klageindustrie zu schwächen und aus dem Wege zu räumen. Der Schuldenexport in alle Erdteile dient dem gleichen Zweck. Das Motto: „Schützt das einheimische Schaffen!“ Schon der Erlöser Obama hat die Motive „Unity“ und „Union“ (im Sinne von Einheit und Zusammenhalt) postuliert. Seine Erlöserabsichten sind auf die USA eingeengt. Aber seine Verehrung ist global.
 
5: Rumsfelds Verbrechen
Der frühere Pentagonchef Donald Rumsfeld trägt eine direkte Mitschuld an den Folterskandalen in amerikanischen Militärgefängnissen im Irak und Afghanistan. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des US-Senats. Rumsfeld habe durch die von ihm angeordneten Verhörmethoden zum Missbrauch von Gefangenen etwa in Abu Ghraib im Irak oder in Guantánamo auf Kuba beigetragen, heisst es in der vom Streitkräfteausschuss des Senats veröffentlichten Zusammenfassung des Berichts.
Quellen: SDA, Reuters, DPA
 
Kommentar: Der Missbrauch und die Quälerei von Gefangenen, egal ob vielleicht schuldig oder unschuldig, wurde seinerzeit auf die sadistischen Triebe einzelner US-Soldaten zurückgeführt. Es handelte sich um Verhörtechniken auf der Grundlage von Foltermethoden wie das Nacktausziehen, das Ausharren in peinigenden, schmerzhaften Haltungen, Schlafentzug und den Einsatz von speziell abgerichteten Hunden zur Einschüchterung der Häftlinge etc. Wären nicht Amateurbilder an die Öffentlichkeit gelangt, die solche Vorgänge dokumentierten, hätte die Welt davon nichts erfahren und den Bigotterien der George-W.-Bush-Regierung geglaubt. Inzwischen hat sich die Weltöffentlichkeit an die Wiederbelebung von Foltermethoden gewöhnt, so dass entsprechende Meldungen kaum noch Beachtung finden. Dass in dieser düsteren Atmosphäre auch die Korruption gedeiht, ist klar.
 
6. Obama droht mit Atomwaffen
Der designierte US-Präsident Barack Obama will die US-Gangart gegenüber dem Iran offen verschärfen. Das schreibt die israelische Zeitung „Haaretz“ unter Berufung auf Äusserungen des Politikers. Demnach will Obama einen atomaren Schutzschirm für Israel errichten. Zudem drohte er dem Iran mit schweren Sanktionen.
 
Der Schutzschirm sollte für den Fall gelten, dass Israel vom Iran mit Atomwaffen angegriffen wird. Die Idee war zunächst von der damaligen Konkurrentin Obamas und künftigen Aussenministerin Hillary Clinton ins Gespräch gebracht worden. Ihr Vorstoss im Wahlkampf sah einen Schutzschirm auch für die US-Verbündeten in der Region, wie Saudi-Arabien und die Emirate, vor.
Quelle: Berliner Umschau, Autor: Paul Müller
 
Kommentar: Der messianische Friedensapostel Obama lässt offensichtlich alle Hüllen fallen, in denen er als Friedenstaube aufgetreten ist – schon bevor er sein Amt überhaupt angetreten hat. Er ist offensichtlich auf den Kriegskurs seiner Israel- und Juden-freundlichen Aussenministerin eingeschwenkt, dem Charme von Hillary, von der er besser die Finger gelassen hätte, erlegen, ein in jeder Hinsicht unglaublicher Vorgang.
 
Israel hat in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts mit US-Unterstützung insgeheim ein gewaltiges, bedrohliches Atombombenarsenal aufgebaut; der kadavergehorsame Westen hielt dicht. Die Medien waren zum Schweigen verurteilt. Israel dürfte inzwischen 200 bis 500 dieser mörderischen Waffen und moderne Trägersysteme besitzen.
 
Wer darüber etwas publizierte, wurde eingekerkert, wie der Atomtechniker Mordechai Vanunu, der 18 Jahre lang im Gefängnis, meist in Isolierhaft, sass. Die Araber mussten sich von diesem aggressiven Staat, der sich immer breiter machte und Gebiete besetzte, provoziert fühlen. Der Iran startete verständlicherweise sein eigenes Atombombenprogramm, auch wenn dies offiziell dementiert wird.
 
Obamas Politik in dieser Sache tönte zunächst vernünftig: Zwar werde sich an den „Sonderbeziehungen“ USA/Israel nichts ändern, doch strebten die USA unter seiner Führung einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten an, sagte er in Chicago … die Reihe von 11 US-Präsidenten fortsetzend, die sich seit der Gründung Israels vor 60 Jahren angeblich um einen Frieden bemüht haben wollen und gleichzeitig alles taten, um das zu verhindern.
 
Noch vor wenigen Tagen hatte Obama erklärt, er wolle mit dem Iran darüber verhandeln und ökonomische Anreize geben, damit der Iran sein Nuklearprogramm aufgebe. Was an ökonomischen Reizen die bankrotten USA noch zu bieten haben, weiss ich nicht. Doch der einseitige „strategische Pakt“, den Obama mit Israel neuerdings abschliessen will, ist wohl die einfältigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Friedensverhandlung. Obama baute bereits eine massive Drohkulisse auf (Sanktionen, „massive Vergeltung“) und zwar vor dem Hintergrund des Umstands, dass ausschliesslich US-freundlichen Staaten Atombomben zugestanden werden. Das ist die uralte, einseitige und verhängnisvolle US-Doktrin ohne eine Spur von Wechsel. Wieso wird nicht auch Israel eine „massive Vergeltung“ angedroht, wenn es den Iran mit seinen Bomben angreifen sollte?
 
7: Korruption und Bestechung („Blagogate“) – und Obama
Dieser Skandal aus der Hochburg politischer Korruption (Chicago), der Heimatstadt von Al Capone, ist ein Härtetest und Barack Obama macht keine gute Figur. Nach langem Schweigen hat er jetzt mit Illinois' korruptem Gouverneur Rod Blagojevich gebrochen, doch zentrale Fragen lässt der künftige Präsident offen: Wer in seinem Team wusste was, wann, wie viel?
 
Der Korruptionsskandal dreht sich um Rod Blagojevich, den Gouverneur von Illinois, der versucht haben soll, Barack Obamas frei werdenden US-Senatssitz an den Höchstbietenden zu verschachern. Hatte Obama oder einer seiner Mitarbeiter wegen der Senatsnachfolge persönlichen Kontakt mit dem entehrten Gouverneur wie es die Staatsanwaltschaft in ihrer Anzeige gegen Blagojevich angedeutet hat? Hat sich wirklich niemand in Obamas Stab etwas zuschulden kommen lassen? Warum haben sich zwei seiner Chefberater in Details widersprochen? Seit wann wusste Obama von Blagojevichs Machenschaften? Wurde er selbst oder ein Mitglied seines Teams verhört?
Quelle: spiegel online, Autor: Marc Pitzke, New York
 
Kommentar: Der Saubermann Obama sagte, er sei „absolut sicher“, dass sein Stab diesbezüglich „nie an irgendwelchen Details beteiligt gewesen“ sei. Noch einmal: Unschuldsvermutung, auch wenn sie aus dem legendären Hauptort der Politiker-Bestechlichkeit (dort „Machine politics“ genannt) kommt, wo die Demokraten die beherrschende Kraft sind. Dort sind auch unbegrenzte Wahlspenden möglich, für die sich ja auch Obama entschieden hatte.
 
Noch 2006 hatte sich Obama für Blagojevichs Wiederwahl ausgesprochen. Obama lässt jetzt innerhalb seines Teams untersuchen, genau so wie die Amerikaner üblicherweise auf ihren Kriegsschauplätzen ihre eigenen Kriegsverbrechen persönlich untersuchen. Das Muster hat sich bewährt. Entweder hört man nichts mehr oder die Untersuchungsresultate sind geschönt. Warum gibt es keine unabhängigen Untersuchungen? So etwas wäre in den USA eine echte Innovation, passt aber nicht ins Bild.
 
8. Die USA blasen zur Piratenjagd
Die USA sollen die somalischen Piraten auch an Land bekämpfen. Gemäss einem Resolutionsentwurf, den US-Aussenministerin Condoleezza Rice am kommenden Dienstag, 16.12.2008, bei den Vereinten Nationen einbringen will, soll den in den Gewässern vor Somalia patrouillierenden internationalen Streitkräften erlaubt werden, die Seeräuber auch an Land „mit allen nötigen Mitteln“ zu verfolgen. Auch der somalische Luftraum soll für den Kampf gegen Piraten freigegeben werden. Die schwache vom Westen „gestützte“ (finanzierte) somalische Regierung unterstützt das geplante Vorhaben.
Quellen: 20 minuten, AP
 
Kommentar: Die USA unternehmen offensichtlich noch einen Versuch, sich im rohstoffreichen Somalia als Besatzungsmacht zu etablieren (siehe Blog vom 25.11.2008: Warum mir die somalischen Piraten eher sympathisch sind). Die Piraten sind der geeignete Vorwand dafür. Frage: Warum will sich dieses Amerika denn wirklich überall auf der Welt einmischen? Sollte es nicht endlich alle verfügbaren Kräfte darauf ausrichten, den eigenen Stall auszumisten, so weit so etwas überhaupt noch möglich ist?
*
Das waren ein paar News vom 12.12.2008, einem Tag wie jedem anderen. Es ist wirklich nichts Besonderes passiert. Reine Routine.
 
Die Bewunderung für Amerika ist inktakt.
 
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