Textatelier
BLOG vom: 30.11.2008

Rohr SO: Winterwanderung im seltsamen Schafmatt-Gebiet

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wenn immer die Juralandschaft von etwas Schnee bedeckt ist, wird sie zu einem monumentalen Schwarzweissgemälde. Die geschliffenen, abgerundeten Konturen ihrer Falten sind von ausladenden Schneeflächen mit ihren Baumgerippen und dunkleren Waldpartien durchsetzt. Die Hausdächer sind einheitlich weiss. Die Künstlerin Natur bedient sich der mittelalterlichen Grisaille-Technik, lässt Farben in den Hintergrund treten und spielt mit der Schattenwirkung.
 
Am Sonntagvormittag, 23.11.2008, schien die Sonne auf die weisse Landschaft, die in dieser Einfärbung bei uns im Schweizer Mittelland und am Jurafuss bald einmal zur Seltenheit wird. Es zog uns förmlich hinaus ins Weisse. Wir fuhren von Biberstein via Erlinsbach AG/SO nach Stüsslingen im solothurnischen Niederamt (465 m ü. M.) am Fusse von Rebenflue und Gugen, ein ehemaliges Bauerndorf. Das Bachzeilendorf am Stüsslinger Bach mit seinen rund 1000 Einwohnern wird heute gern von Leuten bewohnt, die Ruhe und gute Luft mögen; auf 3 Seiten sind Wälder. Und nach Olten sind es nur etwa 10 km.
 
Nordwestlich von Stüsslingen tauchen der genannte Bach und eine Ortsverbindungsstrasse in einen Talkessel ein, durch den man tiefer in den östlichen Faltenjura vordringen und etwas an Höhe gewinnen kann. Wo sich das Tal wieder öffnet, grüsst das Dörfchen Rohr SO (Bezirk Gösgen, 578 m); die Gemeinde zählt nur knapp 100 Einwohner und liegt am Fusse von Geissflue und des Passübergangs Schafmatt. Abgesehen vom trichterförmigen Ausguss nach Stüsslingen ist Rohr in einem geschlossenen Talkessel dort, wo der Jura seine Schuppen zelebriert. Doch der Schnee rieselte nicht aus diesen übereinander liegenden Platten, wie das im schuppigen Haar üblich ist, sondern er kam von oben auf die geschuppte Landschaft.
 
Wir stellten das Auto in der Dorfmitte von Rohr ab, wo neben der Postautohaltestelle 3 nicht bewirtschaftete Parkplätze sind. Und wir bestaunten eine liebevoll bemalte Fassade, auf welcher das farbige Abbild der Kapelle von Rohr zu sehen ist, unter dem in verschnörkelten Buchstaben zu lesen steht: „Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Natur ist und wie viel Pracht in den kleinsten Dingen steckt.“
 
Dem wollten wir gleich abhelfen. Wir wählten den steil ansteigenden Weg, der an der richtigen Kapelle vorbei nach Nordosten Richtung Cholholz führt, wo er mit der Strasse über den Schafmatt-Pass zusammentrifft. Und es drängte sich geradezu auf, zuerst einmal einen Blick ins Innere des kleinen Andachtshauses am einstigen Pilgerweg der Elsässer nach Einsiedeln zu werfen. Diese häufig begangene Verbindung über die Schafmatt führte dazu, dass das Kloster Einsiedeln hier immer wieder Güter zusammenkaufte, um das Pilgergeschäft besser im Griff zu haben, das heisst auswerten zu können. Auf dieses Kloster geht auch die erwähnte St.-Ulrichs-Kapelle in Rohr zurück.
 
Der schlichte, nachgotische Bau mit seinem alten Vorzeichen (überdeckter Eingangsbereich) sowie einem Dachreiter mit Uhr und kupfernem Spitzhelm stammt aus dem 17. Jahrhundert; sein Vorgängerbau war im 12. oder 13. Jahrhundert errichtet worden. Das alte Holztor war mit einem Draht mit Schlaufe verschlossen und gab jedermann den Weg ins Innere frei. Ein bäuerischer Kruzifixus (1668) und eine goldbekrönte Muttergottes mit ebenfalls bekröntem Kind erschlagen darin den im Übrigen auf Bescheidenheit ausgerichteten Raum unter der waagrechten Holzbalkendiele förmlich. Ein fast 1 m hoher Opferstock aus Holz, der mit dicken Eisenbändern umfasst und angegurtet und einem schweren Vorhängeschloss gesichert ist, erinnert beim Ausgang an spendefreudige Pilger. Und so fanden wir denn bald wieder ins Freie zurück.
 
Bis zum Dorfausgang war der Weg Richtung Balmis‒Schafmatt aper. Über 2 schöne Neubauten im ländlichen Stil mit Fassaden aus Holz bzw. Schindeln steht die im obersten Teil bewaldete Rütflue (849 m) wie ein Dreieck. Daran schloss sich ein schneebedecktes Natursträsschen an. Wir folgten dann der Passstrasse bis zum Waldeingang und zweigten nach rechts ab, Richtung Barmelhof und Barmelweid. Der Weg verschwand unter Schneeverwehungen, und so bewegten wir uns über die verschneite Wiese querfeldein. Auch die Schneedecke, von starken Winden wie poliert, war schuppenförmig; einige dürre Halme von Gräsern und Stängel mit Spitzwegerichblüten hatten sich von der Schneedecke nicht auf den Boden drücken lassen.
 
Bei einer etwas verkrampften Rechtsdrehung zu fotografischen Zwecken erlitt ich wahrscheinlich eine kleine Sehnenüberdehnung im linken Knie, ein unangenehmer Schmerz, wie ich ihn noch nie erlebt habe, der aber gleich wieder verschwand, und sich beim Weitergehen noch etwa 8 Mal wieder einstellte – und sich immer wieder gleich auflöste. Als mir einmal bei einem brennenden Stich ein Fluch entfuhr, amüsierte sich Eva köstlich, zumal sie solche Schmerzensschreie von mir noch nie gehört hat. In meinem Mund zog sich salziger Speichel zusammen. Ich hätte halt ihrem Rat folgen müssen, lange Unterhosen anzuziehen, erfuhr ich. Aus der späterzieherischen Bemerkung war ein tadelnder Unterton auszumachen. Eva bot mir ihre Wanderstöcke an, die ich gegen die Kamera eintauschte. Nachher war der Spuk vorbei, und ich hatte das Gefühl, das Knie sei jetzt beweglicher denn je – wahrscheinlich hat eine kleine Sehnenverlängerung (vielleicht der Kälte wegen – es war nur knapp über dem Nullpunkt oder wegen Wassermangels) die Mechanik eher verbessert. So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen. Das Gehwerkzeug war wieder wie neu.
 
Der Blick über die Jurakuppen und ins Aaretal öffnete sich beim Aufstieg immer mehr. Wasserflue, Acheberg und Homberg grüssten unter einer mächtigen dunkelgrauen Wolke, die von einem starken Wind gegen Osten geschoben wurde und für sich ändernde Lichtverhältnisse sorgte.
 
Inzwischen waren wir auf der Rosmaregg (764 m) angekommen, 20 Minuten von der Barmelweid entfernt. Wir folgten dem Weg in jener Richtung noch ein Stück weit, an einem roten Bänklein mit der Aufschrift „Viehweide“ vorbei. Im Wald senkte sich der Weg zu einer kleinen Talmulde, wo ein von Bäumen dicht umsäumtes Haus steht, bei dem ein grosser Hund zu einem gewaltigen Bellen ansetzte, das an Bedrohlichkeit kaum zu überbieten war. Ich war froh, für alle Fälle mit Stöcken bewaffnet zu sein; doch war der scharfe Hund in seinem Gehege gefangen, wo er nichts als seine Pflicht tat.
 
Operation Juraviper
Diese weltverlorene, zerfurchte Landschaft mit ihren Wäldern, Nischen, Senken, Hügeln und der mystischen Atmosphäre erinnerte mich an den historischen Kriminalroman „Juraviper“ von Gustav F. Aeschbach, mit dem – dem Roman und dem Autoren – mich viele persönliche Erlebnisse verbinden, worauf noch einzugehen sein wird. Die Hauptschauplätze des um 1977 geschriebenen Romans befinden sich genau in diesem Gebiet Hinteregg/Laurenzenbad (CH-5018 Erlinsbach), Rohr SO, Schafmatt, Geissflue, Barmelweid mit den einsamen Einzelhöfen in Seitentälern, ebenso umliegende Dörfer und Kleinstädte wie Aarau und Brugg. Und aus diesem literarischen Werk bin ich erstmals eingehender auf diese verträumte Landschaft abseits der grossen Heerstrassen aufmerksam geworden.
 
Den zeitlichen Hintergrund des Romans bilden die düstere und dennoch funkensprühende Epoche der Französischen Revolution und die davon ausgelösten Koalitionskriege. Die junge demokratische Schweiz hatte als einziger Staat in Europa ein Militärbündnis gegen die vereinigten Königreiche; helvetische Truppen kämpften also unter der Trikolore. Der gewaltige Aufmarsch der russischen Armee (Ende September 1799), welche vor den Toren von Brugg manövrierte, brach unter dem schlagkräftigen Widerstand der französisch-helvetischen Armee zusammen; die russische Walze konnte dank der genialen Schachzüge des französischen Generals André Massena aufgehalten werden. Gustav („Guschti“) Aeschbach, der sich sehr für Geschichte interessierte, bevölkerte das weite Schafmattgebiet in seinem Werk mit Geschöpfen, die es teilweise gegeben hatte oder aber die seiner blühenden Fantasie entsprungen waren. Und zudem kannte er Land und Leute, trank gern in Wirtschaften ein Glas Wein und verwickelte die Einheimischen in Gespäche – eine journalistische Recherchierarbeit an der Basis, die sich immer wieder als ergiebig erwies.
 
Hier eine kleine Leseprobe: „Westlich vom Strassenkreuz (in Erlinsbach) führt der Schafmattweg längs des Wisselbaches am Farnhof vorbei und steil bergan auf die Höhen der Barmelweid und Schafmatt, von wo aus verschlungene Pfade ins Solothurner- und Baselbiet abzweigen; weiter weg, im offenen Land, geht es hinab nach Basel, zum Schwarzwald und ins Elsass. In jener Einöde im Jura hat sich früher gerne lichtscheues Volk abgesetzt, dem der Boden in den Städten zu heiss wurde; infolge der kriegerischen Zeitläufe und der vielen Militärpatrouillen war es selbst in diesen Schlupfwinkeln, die sonst als absolut polizeisicher galten, den Brüdern etwas ungastlich geworden.“ So baute der Autor die Spannung auf.
 
Gustav Aeschbach, 1920 geboren, war ein poetisch veranlagter Mensch, der gern Kunstmaler geworden wäre und die Kunstgewerbeschule in Zürich besucht hatte, seiner Veranlagung folgend. Den Lebensunterhalt verdiente er sich mit Zeitungsschreibereien, die sich als einträglicher als das Malen erwiesen. Doch hielt er dem Zeichnen und Malen zeitlebens die Treue; die schwungvollen, ausdrucksvollen Schwarzweiss-Illustrationen in seinem „Juraviper“-Buch (inkl. Titelblatt) hat er selber angefertigt.
 
Er zeichnete gern. Bei einem lockeren Gespräch in meinem Garten holte er seine Malausrüstung aus dem Auto und fertigte ein Gemälde von mir unter dem Sonnenschirm an. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin hatte ich im Backofen einen knusprigen Schweinebauch zubereitet. Seine Frau Dora („Dorli“), geborene Gröbli, ein Musterbeispiel von Hilfsbereitschaft, führte ihn, der sich nicht ans Steuer setzte, in der Landschaft herum, oft begleitet von der reizenden Tochter Mirjam, die er im Diminutiv immer liebevoll Mirjämli nannte. Das Dorli war eine exzellente Köchin, deren Folgen augenfällig waren.
 
In den 1970er-Jahren leitete ich das Ressort Aargau des „Aargauer Tagblatts AT“, und Guschti war mein wichtigster freischaffender Mitarbeiter. Vor allem die Gerichtsberichterstattung war seine Spezialität. Ich möchte nicht sagen, dass seine journalistischen Arbeiten der Inbegriff von seriöser, distanzierter Information waren. Nein, er liess seinen Empfindungen freien Lauf, brachte sich ein und liess meistens ein gewisses Verständnis für die Menschen erkennen, die aus irgendwelchen Gründen gestrauchelt waren. Er tat trotz aller Anonymisierungen alles, um die Wucht der Presse gegenüber einem vielleicht aus einer Notlage heraus mit dem Gesetz kollidierten Menschen abzumildern. Er verfügte über eine ausgesprochene Sprachkraft, die weit über das im Journalismus Übliche hinaus ging, beschrieb Menschen und Situationen voller Farbe und Anschaulichkeit, liess sich nie in Schema zwängen. Seine Berichte fanden eine begeisterte Leserschaft. Wahrscheinlich war er einer der letzten begabten Feuilletonisten unter den Zeitungsberichterstattern.
 
Während der hochsommerlichen Ferienzeit füllte Gustav Aeschbach die Zeitungsseiten gern mit seinen Geschichten, denen er immer einen betont lokalen Anstrich gab. In der Sauregurkenzeit war es oft mühsam, die Zeitungsseiten zu füllen, und das erkannte er als Chance.
 
Die endlose Viper
In einer derartigen Situation überredete er mich in einem schönen Frühjahr in der Mitte der 1970er-Jahre, seinen Roman „Operation Juraviper“ abzudrucken, den er im Hinblick auf die bevorstehende Sauregurkenzeit extra fürs AT zu schreiben gedachte. Aus Erfahrungen setzte ich ihm Grenzen – etwa 40 A4-Blatt für etwa 15 Fortsetzungen. Gusti akzeptierte ohne Weiteres, liess durchblicken, dass er so viel Platz wahrscheinlich nicht einmal fülle, bedankte sich für meine Grosszügigkeit.
 
Der Juli und die Ferienzeit brachen an, die Leute reisten in ferne Länder, und die Nachrichten flossen spärlicher. Von der „Juraviper“ aber war noch kein Wort geschrieben. Ich setzte Dampf auf. Er sei dran, sagte Gusti beruhigend. Mehr als die halbe Ferienzeit war bereits ins Land gegangen, als der Autor mit einem etwa 15 Seiten umfassenden Bündel Papier in meinem Redaktionsbüro an der Bahnhofstrasse 39 in Aarau aufkreuzte und sagte, nun habe er endlich die Einleitung zusammen. Er bat mich, die Geschichte sorgfältig zu lektorieren. Mir schwante Schlimmes und ich bat ihn eindringlich, sich doch bitte an unsere Abmachung zu halten, was den Umfang anbelangte. Er versprach es. Ich zerstückelte die Story in zeitungsgerechte Happen und begann sofort mit dem Abdruck. Der 2. angelieferte Teil bestand wieder aus etwa 16 Blatt, wobei mir Gusti tröstend sagte, es sei ja darin viel gestrichen, und er habe einen grossen Zeilenabstand gewählt. Ich hielt den Drohfinger auf, und Guschti verschwand wieder in sein Büro in seiner Wohnung, das er „Bergwerk“ nannte, um lustvoll weiter zu schreiben.
 
Die Geschichte von der Juraviper lief erst richtig an, und ich wechselte von der 9- zur kleineren 8-Punkt-Schrift, um auf dem gleichen Platz mehr Buchstaben unterzubringen. Das Feuilletonistische pflegte man damals unter dem Strich zu platzieren, also am unteren Seitenrand. Der Strich allerdings hob sich zusehends nach oben, und zudem schwappte der Kriminalroman auch noch auf die 2. Aargau-Seite hinüber. Die Ferien waren vorbei, Pressekonferenzen und Grossratssitzungen jagten sich wieder, und für Feuilletonistisches war jetzt fast kein Platz mehr übrig.
 
Wir waren etwa bei der 20. Folge angelangt. Das Personal im Roman vermehrte sich wie Kaninchen, und immer kamen neue Schauplätze dazu: Zurzach, Grüsse aus Pennsylvanien wurden geschildert, ein Uhrmacher am Atlantik trat auf – Guschti war nicht mehr zu bremsen. Ich war der Verzweiflung nahe.
 
Der damalige AT-Chefredaktor, Dr. Kurt Lareida, der den Guschti besser noch als ich kannte, befahl mich Mitte August in sein Büro: Ich solle jetzt bitte endlich, endlich dafür sorgen, dass die „Juraviper“ nun ihr seliges Ende finde. Ob ich denn da alle Schleusen aufgemacht hätte und ob ich die Sache überhaupt im Griff habe. Es tönte vorwurfsvoll, was bei Lareidas sonst üblicher Nachsicht und Grosszügigkeit schon seine Wirkung erzielte – es war sonst nicht seine Art, jemand in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken. Der Fall kostete mich fast die Stelle. Ich schilderte die Eskalation des romanhaften Geschehens wahrheitsgemäss und detailgenau, was den lieben Kurt Lareida richtig zur Rage trieb. Was sollte ich tun? Ich bat den Guschti auf den Knien, die Sache endlich zum Ende zu bringen. Da aber der Bergsturz, der das Eisenbergwerk St. Lorenzen unter sich begraben hatte, bereits beschrieben war, war es nicht mehr möglich mit dem fiktiven Romanpersonal auf diese brutale Weise etwas aufzuräumen. Und wegen interessierter Leser musste eine plausible Lösung gefunden werden.
 
Guschti war selber ein Teil des Geschehens, seines Romans geworden, der sich nicht mehr stoppen liess. Es war seit Jahren sein Wunsch gewesen, diesen Roman zu schreiben. Gewiss, er war eine ehrliche Haut und zweifellos willens gewesen, sich an die umfangmässigen Vorgaben zu halten, doch wurde er vom Strom seiner rückwärtsgewandten science-fictiven Fantasie schlicht und einfach mitgerissen. Im „Vorwort des Verfassers zur Entstehung des Romans“ findet man das aus seiner Feder bestätigt: „Der Verfasser, der die Jurageschichte jeweils neben seiner Tätigkeit als Gerichtsreporter spät abends noch geschrieben hat, wusste oft nicht, wenn er sich zum Schreiben hinsetzte, welche Personen in der Fortsetzung weiterleben sollten; denn die ganze Story war improvisiert.“
 
Das kann man schon sagen. Im AT erschienen die Fortsetzungen jetzt in immer längeren Abständen, weit über die Herbstferien hinaus. Kurt Lareida brachte es ebenfalls nicht fertig, den Kriminalschriftsteller zu bremsen. Aeschbachs Schreibwut wurde offenbar noch durch den Umstand angespornt, dass er während der Zwischenzeiten, d. h. wenn die nächste Fortsetzung auf sich warten liess, angefragt wurde, wenn es weitergehe.
 
Ich selber kam in dem Gewirr von Schauplätzen und Personen nicht mehr draus, und ein Kürzen war deshalb unmöglich, auch schon deshalb, weil niemand wusste, ob eine ausführlich geschilderte Randfigur im weiteren Verlauf der endlosen Geschichte noch eine tragende Rolle spielen würde. Nun, ich überstand den Roman und konnte meinen Redaktionsposten behalten. Gegen den Guschti hege ich keinerlei Groll – ich kannte ihn ja. Er war eine aussergewöhnliche Persönlichkeit mit grossen Begabungen, zu denen aber das Planen und Organisieren keineswegs gehörten. Die Aargauer Zeitungen, für die er tätig war, haben ihm als schillernder Person viel zu verdanken. Das überarbeitete, gut 200 Seiten umfassende und offenbar straffend überarbeitete Buch brachte Gustav F. Aeschbach im Herbst 1980 im Eigenverlag heraus.
 
Erholungsbetrieb auf der Schafmatt
Das alles kam mir dort oben im verschneiten Jura, unter Geissfluh und Rohrerplatte, wieder in den Sinn, wo das Hundegekläff bedrohlich anschwoll. Wir sahen uns in unserem Bedürfnis nach einer ruhigen Beschaulichkeit gestört und wanderten in Gedanken versunken durch den Schnee nach Rohr zurück.
 
Um noch einige berühmte „Juraviper“-Schauplätze mit einem Besuch des Gedenkens zu beehren, fuhren wir via Balmis (770 m) gegen die Schafmatt hinauf. Bei der Kantonsgrenze Solothurn/Baselland waren wohl 50 Autos abgestellt; viele Familien waren zum Schlitteln hierher gekommen. Wir genossen den Betrieb und den Ausblick mit dem Kühlturm des Kernkraftwerks Gösgen, der seine weisse Dampffahne vor den Voralpen in den von Wolken durchzogenen blauen Himmel schickte.
 
Die schmale Strasse tangiert die offene Schafmatt im südlichen Teil und führt dann durch den Wald, wo es noch Schnee- und Eisreste gab, zum kompakten Dorf CH-4494 Oltingen BL mit den mittelalterlichen Bauten wie der spätgotischen Kirche und den schneebedeckten Satteldächern hinunter. Auf der Hochebene des Tafeljuras mit den vielen Obstbäumen fuhren wir CH-4469 Anwil BL (knapp 600 Einwohner) zu, das sich in einer kleinen Mulde befindet; hier verlief früher die österreichische Grenze. Das ist ein besonders hübsches Dörfchen.
 
Dann kehrten wir in den Kanton Solothurn (Bezirk Gösgen) zurück, nach Kienberg auf der Nordseite des Kettenjuras, am Nordfuss der Salhöhe. Und über diesen Juraübergang mit der herrlichen Aussicht auf die Jurawellen kehrten wir nach Erlinsbach und Biberstein zurück.
 
Unsere Operation Juraviper (Vipera Aspis Aspis) war damit abgeschlossen. Die selten gewordene, ortstreue Schlange (auch Aspisviper genannt), die gern in Geröllhalden lebt und sich auf warmen Kalksteinen wärmt, war in den Winterschlaf gesunken.
 
Das geschichtlich bedeutsame Geschehen rund um die Schafmatt hat sich auch sonst beruhigt. Nur die Erinnerungen bleiben lebendig.
 
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