Textatelier
BLOG vom: 06.11.2008

„Yes, we can!“: Kann Obama das US-Wrack reparieren?

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Frühmorgens, zwischen 3 und 5 Uhr, verfolgte ich am 05.11.2008 die Wahlergebnisse auf dem Bildschirm, von David Dimbleby für BBC direkt aus den USA präsentiert. Kurz nach 3 Uhr gewann der dynamische Barack Obama (47 Jahre alt) die erforderlichen 270 Stimmen oder Sitze des „Electoral College“. Inzwischen hat Obama 349 Sitze gewonnen, über doppelt so viele als der Republikaner John McCain (72 Jahre). Die Demokraten haben wirklich haushoch gesiegt. McCain gestand seine Niederlage würdevoll ein. Wenig später hielt Obama seine 1. Ansprache als „President Elect“. Jetzt beginnt die Übergangsfrist bis Januar 2009, bis die Demokraten ins „Weisse Haus“ einziehen können. Als Folge dieses Wahlsiegs haben sich die Demokraten ebenfalls die Mehrheit im „Congress“ und „Senate“ gesichert.
 
Wer hätte noch vor 3 Monaten einen solchen schlagartigen Durchbruch erwartet? Ein „African American“ hat über die Rassenschranke hinweg gesiegt. Jung und Alt, Weisse, Hispanier, Schwarze usf. haben für ihn gestimmt.
Gore Vidal, ein berühmter amerikanischer Essayist, Kritiker und Autor, dessen Werk „Perpetual War for Perpetual Peace“ (Fortwährender Krieg für dauerhaften Frieden) hier erwähnt sei, liess sich von Dimbleby nicht „verhören“, sondern verdammte ätzend scharf das Kriegstreiben von George W. Bush, den amerikanischen Imperialismus und Machtmissbrauch.
 
George W. Bush und seine Lakaien hatten umsonst gehofft, dass die so genannte „Surge“-Strategie, d. h. die lawinenartige Stärkung der Besetzungsmacht im Irak, den Sieg sichern werde. Das Volk liess sich von diesem Ablenkungsmanöver nicht düpieren. Es leidet mehr als genug unter der Wirtschaftskrise.
 
Die USA seien bankrott, äusserte sich jemand. Obama hat die skandalöse Wirtschaftskrise aufs Korn genommen und u. a. Sozialreformen innerhalb des Gesundheitswesens und der Erziehung angekündigt.
 
Viele der befragten Amerikaner glauben, dass Obama die krassen Gegensätze des Landes mildern, wenn nicht gar überbrücken könne („to get the land together“), und sie erhoffen von ihm „A Sea of Change“ – eine Flut von positiven Wechseln, besonders auch bezüglich der Kriege im Nahen Osten. In diesem Zusammenhang sprechen die Leute wiederholt hoffnungsvoll vom „neuen Morgenrot“ (a new dawn), gar von einem „neuen Amerika“, befreit vom alteingesessenen Rassismus.
 
Viele Amerikaner sind sich wohl bewusst, dass das internationale Ansehen ihres Landes stark gelitten hat. Reformen mögen nach und nach, so wird gehofft, den geschädigten Ruf der USA verbessern helfen.
 
Kann das abgetakelte US-Wrack zur Reparatur auf die Trockenwerft gehievt werden? Wenn überhaupt, braucht ein solches Unterfangen viel Zeit und Geduld, um das Land nach und nach aus dem Würgegriff des Kapitalismus zu erlösen.
 
Obama ist keineswegs der Neuling, wie er von seinen Opponenten eingestuft wurde. Er ist diplomatisch gewiegt, emotionell ausgeglichen, hat einen scharfen Intellekt und verspricht keine Wunderkuren. Obendrein ist er ein guter Zuhörer. Wie ein Mantra wiederholte er in seiner Antrittsrede „Change – YES, WE CAN.“ Die Zuhörer jubelten und wiederholten YES, WE CAN im Chorus immer wieder. Der Jubel über seine Wahl hat sich zur Ekstase gesteigert, wie damals, als John F. Kennedy ans Ruder kam.
 
Natürlich beglückwünschte in Englands Gordon Brown wie auch der Führer der Opposition, David Cameron, Barack Obama zu seinem Wahlerfolg. England ist bekanntlich ebenfalls in vielen Beziehungen reparaturbedürftig. Die City-Leute werden sich dies hinter die Ohren schreiben müssen.
 
So weit mein Streiflicht über die US-Präsidentenwahl, die jetzt von der Presse und den Politikern „ausgebeinelt“ und verkraftet werden muss. Vielleicht entwickelt sich aus diesem Wahlergebnis ein neues Raster für die Demokratie.
 
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