Textatelier
BLOG vom: 22.04.2008

NAB AG: Die regionalisierte Triple-A-Generalversammlung

Autor: Walter Hess, Biberstein CH (Textatelier.com)
 
Wenn Sie Amerikaner wären und ein Eigenschaftswort für wertlosen Schrott, für unbrauchbaren Ramsch erfinden müssten, das den Plunder aber gleichzeitig beschönigt, damit dieser zu überrissenen Preisen abgesetzt werden kann, kämen Sie auf subprime. Sub bedeutet unter und prime erstklassig, vorzüglich. Das suggeriert, sie hätten etwas vor sich, das gerade knapp unter dem Erstklassigen angesiedelt ist, etwas, das zwar nicht von allererster Güte, aber doch auf hohem Niveau ist, fast ganz oben.
 
Damit der oberfaule Schwindel garantiert funktioniert, müssen Sie eine der 3 grossen amerikanischen Bewertungsagenturen beauftragen, den wertlosen Plunder einer hohen Güteklasse zuzuordnen. Solche Ratingagenturen (Standard & Poor's, Moody’s oder Fitch Ratings), die je nach amerikanischer Interessenlage ihre A verteilen, gibt es längst: Was dem US-Markt gut tut, wird mit 3 A (AAA als höchste Auszeichnung) dekoriert. Wenn ausländische Konkurrenz niedergehalten werden soll, wird die A-Anzahl reduziert und das Alphabet nach unten strapaziert – bis hin zum D, womit offensichtlich zahlungsunfähige Institutionen gebrandmarkt werden. Alphabetische Abstufungen nach unten über das D hinaus sind aus dem Land der Analphabeten nicht zu befürchten.
 
Selbstverständlich haben die US-Ratingagenturen den wertarmen bis wertlosen Subprime-Hypothekenschrott aus US-Produktion zur internen Wirtschaftsbelebung mit AAA zur Absatzförderung veredelt, einer der denkbar besten Werbetricks überhaupt. Die Bewertung hat Stil: Der Energiekonzern Enron in Houston (Texas) wurde mit dem Etikett „The World’s Greatest Company“ (Beste Firma der Welt) hochstilisiert. Standard & Poor’s bescheinigte Enron bis 5 Tage vor dem Zusammenbruch beste Bonität (Triple A).
 
Bei all den Krämpfen blieb der selig machende Glaube an die Bewerter unerschüttert. Denn nach wie vor steht die Welt wie gebannt vor all dem Grossartigen, das in den USA geschieht. Grossmaulig veredelter Sondermüll wurde weltweit wie frische US-Brötchen mit Backzutaten aus der Gentechnik wie Sojalecithin und Glukose abgesetzt. Und die globalisierte Weltfamilie verschlingt andachtsvoll und willfährig alles, was ihr via eingebettete Medien zum Frass vorgeworfen wird, wenn bloss irgendwo USA draufsteht.
 
Grosse Banken sind von den Subprime-Gaunereien der massgebenden Finanzjongleure in den USA bis an den Rand des Ruins getrieben worden, wobei nach dem bisherigen Stand der Aufdeckungen die schweizerischen Grossinstitute besonders betroffen sind. Die freiwillige Einbindung in die neoliberale, von Amerika eigennützig manipulierte Globalisierung wirkt sich bei ihnen geradezu desaströs aus.
 
Zum Glück gibt es noch Regionalbanken, welche sich dem unendlichen Wachstums- bzw. Grössenwahn bis an den Rand des Zusammenbruchs und der Unterstützungsbedürftigkeit verweigern. Sie wollen einfach innerhalb eines begrenzten Raums stark sein: Glokalisierung. Die grösste Regionalbank der Schweiz ist die Neue Aargauer Bank AG (NAB) mit dem Hauptsitz in Aarau, die, von gewissen Ausrutschern abgesehen, ihre Aktivitäten in der Regel fernab von der Dollarwelt vor allem in Schweizer Franken tätigt. Ihr Biotop ist der Kanton Aargau, in dem sie mit ihren 33 Filialen Kundennähe praktiziert und Marktführerin ist. Und obschon zwischen dieser Bank und der Credit Suisse (CS) eine gewisse Affinität besteht, futierte sie um den AAA-Plunder, bemühte sich, den Worten des abgetretenen Verwaltungsratspräsidenten Josef („Sepp“) Bürge aus Baden gemäss, um Kontinuität und Stabilität, woraus sich eine ausreichende Innovationskraft ergab. Im Jahr 2007 konnte sie ihre Bilanzsumme um 2,6 % auf 18,1 Milliarden CHF und den Reingewinn um rund 1 Mio. auf die Rekordhöhe von 155,8 Mio. CHF steigern. Der neue Präsident der Geschäftsleitung, Peter Bühlmann, zeigte sich entsprechend stolz und erfreut, dass so etwas in einem schwierigen Umfeld gelungen war. Als die Globalisierten gerade Risikopositionen aufbauten, konnte die NAB sogar Wertberichtigungen und Rückstellungen aus früheren Jahren abbauen. Die Bank hat jetzt mit Josef Meier einen neuen Verwaltungsratspräsidenten, der Mitglied des Regional Management Board der Credit Suisse Schweiz bleibt und hoffentlich die NAB-Unabhängigkeit nicht beschränken wird, dem Fusionitis-Zeitalter zum Trotze, und ihre Andersartigkeit respektiert.
 
An der NAB-Generalversammlung in der Kunsteisbahn in Aarau/Suhr (Keba) vom Samstag, 19. April 2008, herrschte denn auch eine fröhliche Stimmung, und der aus Brüssel angereiste Aktionär Albert Huber stellte fest, die NAB päppele die CS finanziell etwas auf, und diese Grossbank sollte das NAB-Geschäftsgebaren zum Vorbild nehmen. Auch diesen Worten hätte man gern zugestimmt.
 
Rund 1900 Aktionäre und 200 Gäste waren zugegen, die Keba-Kapazität bis zum letzten Platz strapazierend. Die mit vollendeter, ja geradezu übertriebener Gründlichkeit abgewickelten statutarischen Geschäfte (selbst die Aktienzahlen der wenigen Stimmenthalter wurden minuziös ausgezählt) dürften hier weniger interessieren als die Speisung der Eigner und Gäste durch das Lenzburger „Krone“-Team. Bei aller Schollenverbundenheit schreckte man da vor etwas Exotik wie einem schwach gesalzenen Safran-Gemüsemosaik und einer Roulade von gebeiztem Lachs neben Frühlingsspinat nicht zurück. Zudem lag eingedenk der guten Ertragslage eine leicht mit Fett durchzogene und deshalb besonders saftige Kalbshohrücken-Tranche auf Kartoffel-Mascarpone-Püree, begleitet von Chili-Honigjus und glasierten Rüebli aus dem Rüeblikanton Aargau, durchaus drin. Die Weine hielten mit: der Epesses „Les Blonnaisses“ 2006 von J. & M. Dizerens, der Tegerfelder Pinot noir „Steimüri“ 2006 von Baumgartner Weinbau und der Rosso di Toscana „Lagone IGT“ 2004 von Aia Veccia (Merlot, Cabernet Franc und Sangiovese). Und als Dessert wurden marinierte Erdbeeren mit Thai-Minze, Sauerrahmparfait und Guyanamousse aufgetragen. Daraus mag man erkennen, was jener sich alles leisten kann, der sein sauer verdientes Geld nicht den Amerikanern nachwirft und deren Verschwendsucht finanziert.
 
Der sympathische, von einer Dauer-Fröhlichkeit geprägte, aus dem Wallis stammende Fernsehmoderator Sven Epiney (36) führte durch den unterhaltenden Programmteil, der diesmal besonders gut gelungen war. Fernseh-Entzugserscheinungen wurden damit in traditioneller Manier verhindert. Das Duo Fischbach (Antonia Limacher und Peter Freiburghaus) aus den Abgründen des hinteren Entlebuchs, wo noch kein Rauchverbot besteht und selbst Haarnetze erlaubt sind, war da. Dieses in der permanenten Auseinandersetzung gereifte Paar ist etwas vom Typischsten und Köstlichsten, was die Schweizer Kabarettszene hervorgebracht hat. Das Paar leistete beim Blosslegen der nationalen Volksseele Schwerarbeit. Es griff tatkräftig zu Handorgel und Saxophon, bewies eine auch beim Musizieren hölzerne Virtuosität, ohne den Einbau eines gelegentlichen Misstons zu vergessen. Herr Fischbach, der als kleine Demonstration von Sparsamkeit gerade einen Stumpenstummel in der Westentasche versorgt hatte, sagte noch, seine Frau und er seien kürzlich von der UBS um ein Engagement angefragt worden. Doch weil die Gage mit Aktien beglichen worden wäre, habe er abgesagt.
 
Das Fischbach-Niveau zu halten, ist schwer. Der Zürcher Sängerin Sue Mathys gelang dies zusammen mit ihrem exzellenten Trio auf ihre Weise. Sie nahm es sogar mit Johanna Spyri und Edith Piaf auf: „Non, je ne regrette rien.“ Wie die Fischbachs würde ich auch sie und ihre Band mit AAA auszeichnen. Und diesmal wäre dieses Rating (diese Bewertung) ausnahmsweise sogar berechtigt, und somit gäbe es auch im Nachhinein nichts zu bedauern.
 
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