Textatelier
BLOG vom: 05.04.2007

Lehrer auf der Flucht: Vom Terror und Horror in Schulzimmern

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Wahrscheinlich müssen auch in der biederen Schweiz die Schulhäuser langsam in Hochsicherheitsanlagen mit Eingangskontrollen durch bewaffnete Leibwächter für das Lehrpersonal umgewandelt werden, sollten sich unsere Verhältnisse weiter amerikanisieren. Anzeichen dafür gibt es etwa im Zürcher Quartier Friesenberg (Schulhaus Borrweg) am Fusse des Uetlibergs, wo es eine Schulklasse geschafft hat, innerhalb von nur zweieinhalb Jahren 6 Lehrkräfte zum Aufgeben zu zwingen, sozusagen zu verschleissen; einer davon wurde allerdings pensioniert. Die Medien suhlen sich gerade in diesem Fall. Der Gipfel der Erkenntnis: Die Behörden haben zu spät eingegriffen. Doch den wirklichen Ursachen mag niemand auf den Grund gehen.
 
Generell: Die „teils gravierenden disziplinarischen Probleme mit Schülern“, wie es in der verwedelnden amtlichen Ausdrucksweise heisst, Probleme, die es in den Schulhäusern in einem vermehrten Ausmasse gibt, finden ihren vorläufigen Höhepunkt in Morddrohungen gegen Lehrer – solche haben sich in den vergangenen Monaten in der Schweiz gehäuft. Und jetzt bildet man Kriseninterventionsteams. Denn – die Wiederholung ist gewollt – den wirklichen Ursachen mag niemand auf den Grund gehen. Man beschränkt sich auf die Symptome, ähnlich wie im Medizinbetrieb und in der Weltpolitik.
 
Die Folgen der aus Übersee importierten feministischen Kampagnen, bei denen die Haus- und Erziehungsarbeit in intakten Familien als minderwertiges, ja geradezu verwerfliches, aus der Zeit des Patriarchats stammendes Relikt bezeichnet wurde und auch die Hausfrauen partout zu billigen Hilfskräften für die globalisierende Wirtschaft umfunktioniert werden mussten, zeichnen sich jetzt mit wachsender Deutlichkeit im gesellschaftlichen Zerfall ab. Als Aufbewahrungsgefässe für die vernachlässigten Kinder dienen in vermehrtem Masse die Krippen, die in Notfällen gute Dienste leisten, aber immer mehr zum Normalfall werden. Dies obschon eine umfangreiche Studie aus dem sozial degeneriertesten Land (USA) leichte Verhaltensstörungen bei Kindern feststellte, die längere Zeit in der Tagesbetreuung statt bei der Mutter oder beim Vater, der die Mutterrolle selbstredend ebenfalls spielen kann, verbringen mussten. Mit anderen Worten: Eine Tageskrippe kann das Elternhaus nicht ersetzen. In den USA heissen diese Aufbewahrungsanlagen „Day Care Centers“, die ihrerseits ein Geschäft wie die privatisierten Gefängnisse sind. Und dementsprechend spricht man von „the Day Care Wars“ – vom Krieg also, der aus der täglichen Obhut entspringt; auch „the Mommy War“ ist ein gängiger Begriff im Zusammenhang mit den daraus entstehenden Verhaltensproblemen.
 
Natürlich sind die zerfetzten Familien nicht das einzige Übel. Denn zu alledem werden die abgeschobenen ebenso wie die familienintern betreuten Kinder durch eine aggressive Werbung zu Konsumtrotteln abgerichtet. Die Kinder werden zum Kauf von gewinnträchtigem Nonsens förmlich gezwungen. Der diesbezügliche psychologische Druck auf sie ist derart gross, dass sie andere Jugendliche, die das nicht mitmachen wollen oder nicht mitmachen können, weil ihnen die Mittel fehlen, wie Abtrünnige behandeln und entsprechend schikanieren. Ich verzeihe es unseren Grossverteilern nicht, dass der Weg zur Kasse, um den niemand herumkommt, zwangsläufig vorbei an Plastikkinderspielzeug führt, das knapp über Bodenhöhe lockt. Auch hier dient der Weg dem Ziel. Man sollte Läden, die um des Kommerzes willen jede pädagogische Vernunft und werbepsychologische Zurückhaltung von sich weisen, meiden und sich kleinen, anständigen, weniger trickreichen Händlern zuwenden.
 
Der Gipfel des Angebots für Kinder sind gewalttätige Videospiele und gleichartige Filme, aus denen sie lernen können, wie man sich in dieser Welt durchsetzt. Und aus den Kindern werden Erwachsene. Besonders in der US-Politik sind bereits solche Kindsköpfe am Werk, die Probleme nicht auf diplomatischem Weg im Gespräch lösen wollen, sondern gleich mit rücksichtsloser Gewalt ohne Rücksicht auf Verluste zuschlagen. Das wiederum dient der Förderung des Terrorismus bei den Misshandelten, und dieser Terrorismus dient dann zu weiteren Staatsinterventionen bis hinein in die Privatsphäre – angeblich immer zum Wohle des Landes.
 
Auffallend ist, dass sich sowohl im häuslichen und schulischen Bereich aus auch auf politischer Ebene jedermann um eine Beachtung der Ursachen herumdrückt. Noch schlimmer sind die Wissenschaftler, die mit verdrehten, zurechtgebogenen Untersuchungen verharmlosend eingreifen. So haben Psychologen der Freien Universität Berlin laut einer Meldung von Pressetext Austria (www.pte.at) vom 4. April 2007 herausgefunden, „dass nur emotional labile Kinder sich in ihrem Verhalten von Gewaltspielen beeinflussen lassen, Kinder mit einer stabilen Persönlichkeit hingegen nicht“. Die Studien zu diesem Thema sind widersprüchlich, und je nach Auftraggeber kommt ein kleiner Teil solcher Untersuchungen sogar zum Ergebnis, dass Gewaltspiele Aggressionen senken ... Wahrscheinlich müsste man Mördern Unterricht im Morden erteilen, damit sie endlich sanft und brav werden ...
 
Ich halte dies hier nur fest, um die Desorientierung zu illustrieren, wie sie in der heutigen Gesellschaft herrscht und auch die Diskussionen prägt. Sogar das Offensichtliche, das sich durch die soziale Entwicklung Tag für Tag erhärtet, wird unter den Tisch gewischt, verwedelt und übelstenfalls noch ins Gegenteil verdreht. Und so können denn die Geschäfte weitergehen oder noch ausgebaut werden.
 
Dabei ist der Missbrauch der Kinder zu kommerziellen Zwecken das Schäbigste, was sich die globalisierende Gesellschaft leisten kann. Wie sollen sich Schüler zurechtfinden können, wenn sie in Killerspielen als Helden amerikanischer Prägung eine Lizenz zum Schiessen und Töten haben? Besonders irritierend mag dies sein, wenn sie als kriegsgeschädigte Flüchtlinge aus Ländern stammen, in denen die USA, Israel oder die westliche Kriegsallianz unter Nato-Oberbefehl so viele Verwüstungen angerichtet hat, dass dort kein Leben mehr ist.
 
Sie kommen in riesige Wohnsiedlungen und in ein Schulhaus wie jenes am Borrweg, das an einen ostdeutschen Plattenbau von damals in steriler Umgebung mit viel pflegeleichtem Beton, Asphalt und Bodendeckereinheitsgrün erinnert. Und dann staunt man, wenn sich eine „negative Gruppendynamik“ entwickelt, vor der Lehrerinnen und Lehrer und selbst die Schulleiterin kapituliert. Nervenzusammenbruch, angeblich. Ein älterer Pädagoge quittierte wenige Wochen nach seinem Antritt den Dienst bei der Terrorklasse in Friesenberg, weil es ihm „zu gefährlich“ geworden sei, „in dieses Zimmer“ zu gehen. Er befürchtete auch körperliche Attacken, wie man sie von den garantiert harmlosen Killerspielen und Hollywoodfilmen lernt.
 
Die Kinder der erwähnten Schulklasse haben soeben Besserung gelobt, wollen der demnächst eintreffenden Lehrkraft Nummer 7 mit Respekt begegnen. Besserungsgelöbnisse wären auch auf anderen Etagen fällig. Die neoliberale Globalisierung mit dem Vorrang brutaler Geschäfte ist die noch viel fatalere gruppen- ja massendynamische Erscheinung, die dringend einer Korrektur bedarf. Hier aber sind keine Interventionsteams erwünscht und zugelassen.
 
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