Textatelier
BLOG vom: 02.10.2006

Beutesicherung: Mauern der Schande in Israel und den USA

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass jemand Lust verspüren könnte, legal oder gar illegal in die Vereinigten Staaten einzuwandern. Mich bringt man nicht einmal mehr als Tourist dorthin, höchstens tot, aber niemals lebendig. Aber viele andere Menschen sehen das anders, haben andere Voraussetzungen.
 
Deshalb wollen die USA an den etwa 10 000 km2 langen Grenzen zum verarmten Mexiko und auf der entgegengesetzten Seite gegen das friedliche Kanada Mauern (euphemistisch: Sperrzäune) bauen. Der US-Senat hat am 29. September 2006 einem Gesetz zugestimmt, das den Mauerbau vorsieht und rechtfertigt. „Mit diesem Gesetz wird jeder Inch unserer Grenze zu Mexiko verteidigt − entweder per Zaun oder durch elektronische Überwachung“, erklärte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist, stilrein. Kurz zuvor hatte Boeing einen Auftrag über umgerechnet rund 3 Milliarden Franken erhalten, um die Grenzen zu Kanada und Mexiko mit einem völlig neuartigen Überwachungssystem von 1800 Türmen, Kameras und Bewegungsmessern zu überwachen. Wer sich an die Zustände in der kommunistischen DDR und damit an die 1961 erbaute Berliner Mauer, dem Symbol des Kalten Kriegs, erinnert, liegt richtig und zeigt Talent zu vernetztem Denken. Diese Mauer ist seit ihrem Fall am 9./10. November 1989 praktisch vollständig entfernt worden.
 
Die Israel-Mauer, ein krimineller Akt
Solch einen modernen Mauerbau (beschönigend: Zaun, Barriere) gibt es neuerdings in Israel als Symbol nachbarschaftlicher Arroganz beziehungsweise innerhalb der Gemarkungen des israelischen Besatzungslands Palästina. Jene 759 km lange und 8 m hohe Mauer aus Betonplatten, mit deren Bau 2003 begonnen worden ist, dient nicht nur dem israelischen Selbstschutz, sondern auch der Unterdrückung des bestohlenen Nachbarn Palästina. Wie mit dem Streubombardement von Libanon versucht Israel offensichtlich, das Leben der Nachbarn unerträglich zu machen, um sich weniger bedroht fühlen zu müssen und sich weiter ausbreiten zu können. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat diese Schandmauer verurteilt, weil sie gegen internationales Recht verstösst, allerdings ohne jede Wirkung. Palästinas Gesundheits- und Bildungssystem wird dadurch geschwächt und die Arbeitsmöglichkeiten sind erschwert. Bauern wurden von den eigenen Feldern getrennt. Palästinenser wurden enteignet, d. h. wiederum bestohlen. Dass das kriminelle Verhalten Israels neuen Hass und weitere Aggressionen schürt und immer weitergehende Sicherheitsmassnahmen erzwingt, scheint den Kriegs- und Zerstörungshelden von Amerikas Gnaden fremd zu sein.
 
Der friedliebende israelische Publizist Uri Avnery mochte da nicht mehr zusehen. Er schrieb im Mauer-Zusammenhang: „Doch da gibt es eine Verbindung. Sie ist in einem von Theodor Herzl geschriebenen Satz in ,Der Judenstaat’ enthalten, dem Buch, das zum Eckstein des Zionismus wurde. Er lautet: ,Dort (in Palästina) werden wir ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.’“ Darin kommt die ganze Verachtung anderen Kulturen gegenüber zum Ausdruck. Von den meisten westlichen Medien wird diese Ungeheuerlichkeit tabuisiert.
 
Die USA-Schandmauer gegen Mexiko
Die USA und Israel waren schon lange nicht nur im Geiste verbunden, und so sichert sich auch Amerika gegen seine Nachbarn mit einer Mauer ab, um illegal einwandernde Mexikaner, welche ihre Not zu überwinden hoffen, fernhalten zu können. Die Krise und Hungersnot in den lateinamerikanischen Staaten geht im Wesentlichen auf eine Jahrhunderte andauernde Ausbeutung durch die USA zurück, die durch Naturkatastrophen noch akzentuiert worden ist. Schon in den Jahren 1846 bis 1848 führten die USA einen Expansionskrieg gegen die mexikanischen Nachbarn und raubten fast die Hälfte des ursprünglichen Staatsterritoriums von Mexiko. Die gestohlenen Gebiete wurden zu den US-Bundesstaaten Kalifornien, Neu-Mexiko, Texas, und auch grössere Gebiete von Nevada, Utah, Colorado und Arizona gehören dazu. Es folgten weitere Militärinterventionen, von der CIA organisierte Staatsstreiche und von den USA geschützte und korrumpierte Diktatoren konnten das Volk nach Belieben ausnehmen. Das alles zusammen führte in ein grenzenloses Elend in Lateinamerika. Im Rahmen der Globalisierung, welche Arme noch ärmer macht, ist die Armutsrate in Mexiko, wie aus einem Bericht der nationalen Sozialakademie hervorgeht, seit 1994 um 300 % gestiegen. 40 Millionen Menschen sind betroffen, davon 26 Millionen Ureinwohner. Zum Glück kämpft noch Subcomandante Marcos für die Bestohlenen und Unterdrückten; ich empfehle sein Buch „Botschaften aus dem lakandonischen Urwald“ (Edition Nautilus, ISBN 3-89401-471-7) dringend zur Lektüre, den Tipp verdanke ich dem Publizisten Roger Willemsen.
 
Die desolaten Zustände in Mexiko machen die Flucht Richtung Norden verständlich. Und statt wenigstens einen Teil des Plünderungsguts zurückzugeben und den südlichen Nachbarstaat anständig zu behandeln, mauern sich die überall verhassten Amerikaner nun ebenfalls ein, wandeln das Land in ein Hochsicherheitsgefängnis um – mit Zäunen, Wachttürmen und allen erdenklichen Sicherheitsmassnahmen, mit welchen sich ja auch die Superreichen vor den bestohlenen armen und hungernden Menschen schützen müssen. Und innerhalb dieses landesumfassenden Gefängnisses USA blüht die lokale Gefängniskultur: Die USA haben die weltweit höchste Inhaftierungsrate im Vergleich zur Bevölkerungszahl. Über 2 Millionen Menschen (die stolze 2-Millionen-Grenze wurde bereits im Jahr 2000 erreicht) sitzen dort hinter Gittern in kleinen, überfüllten Zellen. Die Gefängnisindustrie ist dort ein lukratives Geschäft mit einem jährlichen Umsatz von etwa 35 Milliarden USD. Zu den oft misshandelten Inhaftierten gehören viele Unschuldige, die aus willkürlichen oder diskriminierenden Gründen festgenommen worden sind, während Kriegsverbrecher ungeschoren davonkommen.
 
So sieht es also im Vorbild des Westens aus, in den USA, die selber zum Gefängnis werden.
 
Die Grosse Mauer in China
Ein Abstecher zur etwa 6350 km langen chinesischen Grosse Mauer darf in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Sie ist ab dem Ende des 3. Jahrhunderts errichtet worden und zerfällt seit langem. Sie ist das grösste Bauwerk der Welt und ist zum Teil für touristische Vermarktungszwecke restauriert worden. Sie diente der Verteidigung gegen Angreifer und zum Teil auch als Schutz der mittleren Seidenstrasse; es handelt sich also um eine Schutzmauer, die sich vom chinesischen Turkestan bis zum Pazifik (Golf von Liaotung) erstreckt.
 
Ich habe diesen Schutzwall am 18. September 1998 auf dem Badaling-Pass, etwa 80 km nordwestlich von Peking, besucht. Sie thront auf einer eindrücklichen Gebirgslandschaft. Dort sind auch 5 Kanonen aus der Ming-Dynastie zu sehen, so die „Unbesiegbare Grosse General-Kanone“ mit 105 mm Rohrdurchmesser aus dem Jahr 1638 und 4 Niutui-Kanonen, die 1957 ausgegraben wurden. Diese Verteidigungsanlage und die defensiven Waffen hinterliessen bei mir keinen schlechten Eindruck – ganz im Gegensatz zur israelischen Plattenmauer und zu den Mauerbauvorhaben in den USA, mit denen Diebe ihre Beute sichern und die verarmten Nachbarn nieder- oder fernhalten.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog zum Thema Lateinamerika
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst