Textatelier
BLOG vom: 10.03.2006

Dresdens Wohnungen – schon wieder unter US-Beschuss

Autor: Walter Hess
 
Die Engländer und Amerikaner zerstörten Dresden, auch die Wohnungen, gegen Ende des 2. Weltkriegs völlig unnötigerweise. Dresden wurde inzwischen wieder aufgebaut. Jetzt gehen die städtischen Wohnungen an Amerikaner. Eine Tragödie folgt der anderen.
 
Der ZDF-Fernsehfilm „Dresden“, der am 6. und 7. März 2006 zu sehen war, ging weit über das hinaus, was Fernsehanstalten sonst bieten, trotz der dominanten Herz-Schmerz-Hollywoodisierung. Dennoch blieb ein schaler Beigeschmack zurück, weil er doch allzu sehr auf eine Anbiederung mit Grossbritannien und den USA bedacht war. Natürlich war der 2. Weltkrieg eine Erfindung von Deutschland – und die Schuld daran trägt eben dieses Deutschland. Ich habe jedoch allmählich das Gefühl, dass die jüngeren, heutigen Generationen genügend Abbitte (Aufarbeitung) geleistet haben. Zurzeit  sollte man sich eher darauf konzentrieren, was an Ausbeutungs- und Kriegsgefahren von den USA ausgeht und sich dagegen wappnen, damit nicht eine Festung nach der anderen fällt.
 
Die Totalzerstörung der schönsten deutschen Städte, einer gewachsenen tausendjährigen Städtelandschaft mit dem Bijou Dresden war in dieser Gründlichkeit absolut unnötig, ein Kriegsverbrechen. Nachdem die Engländer die wunderschöne Stadt in den letzten Kriegstagen (13. bis 15. Februar 1945) schon beinahe dem Erdboden gleichgemacht und unter der Zivilbevölkerung ein unbeschreibliches Elend herbeigeführt hatten, flogen auch noch amerikanische Todesschwadronen daher, um den Trümmerhaufen brutalstmöglich komplett zu machen – die Amerikaner können es einfach nicht lassen; ihre Lust am Flächenbombardement ist übermächtig. Und es fehlte gerade noch, dass sich die Deutschen dafür noch bedanken, angeblich, weil sie dadurch von Hitler befreit worden seien ... Der moderne Film „Dresden“ wäre eine Chance gewesen, zu einer nüchterneren, distanzierteren Betrachtungsweise zurückzukehren. Sie wurde vertan.
 
Selbst Winston Churchil hat seine Fehler immerhin andeutungsweise eingesehen. Geschichte ist Geschichte. Dresden ist wieder aufgebaut, und gerade jetzt kam der nächste Angriff unter dem Schlachtruf Globalisierung beziehungsweise GATS: Dresden hat soeben den gesamten stadteigenen Wohnungsbestand (rund 48 000 Wohnungen und 1300 Gewerbeeinheiten) für 1,7 Milliarden Euro an die US-Investorengruppe Fortress, was meines Wissens „Festung“ bedeutet, verkauft. Davon sind noch die bisherigen Verbindlichkeiten abzuziehen, so dass bloss noch etwa 982 Mio. Euro sowie eine Sozialcharta-Mogelpackung verbleiben. Die Fortress-Gruppe, welcher ein geschickter Schachzug gelungen ist, beschäftigt sich mit den Bereichen Private Equity Fonds und Immobilien; Sitz der Muttergesellschaft ist New York, und die Gruppe hat die erste Festung in Deutschland geknackt.
 
Dieser himmelschreiende Nonsens wird der Öffentlichkeit unter dem Motto „Dresden wird schuldenfrei“ verkauft. Die Schuldenfreiheit erkaufen sich die Dresdner durch eine Abhängigkeit von geldgierigen Amerikanern, denen damals wie heute mehr an Cash denn am Wohlergehen der Dresdner Bevölkerung gelegen ist, sowie durch einen Abbau von Mieterrechten und zweifellos massiv höhere Mietzinse. Diese Form von Unfreiheit wiegt die paar Millionen Euro mehr als auf.
 
Die Abstimmung über den Wohnungsausverkauf im Dresdner Stadtrat zeigte 40 Ja-Stimmen. 29 Stadträte der sächsischen Landeshauptstadt waren dagegen und einer enthielt sich. Der Deal scheint eine beschlossene Sache zu sein. Und Kritiker befürchten mit vollem Recht, dass dies ein Dammbruch in Deutschland sein könnte – die Mietwohnungs-Festung beginnt ebenso zu bröckeln wie die Selbstbestimmung.
 
Ich behaupte nicht, solche blödsinnigen Veräusserungen von lebenswichtigen Anlagen ausgerechnet an überprivilegierte Firmen aus dem Schurken- und Folterstaat USA könnten in der Schweiz nicht passieren: Wir entblöden uns zum Beispiel soeben, die Cablecom, den „führenden Kabelnetzbetreiber der Schweiz und Partner für Internet, analoges und digitales Fernsehen und Telefonie“ für 2,8 Milliarden CHF (1,8 Milliarden Euro) an den US-Konzern Liberty Global für 2,8 Milliarden Franken zu verscherbeln. So können die Amerikaner demnächst bestimmen, was wir auf unseren Bildschirmen sehen dürfen und müssen, wahrscheinlich vor allem Hollywood und CNN.
 
Dresden hat Erfahrungen mit den Amerikanern aus jenen späten Kriegsjahren; deshalb hat mich der Verkauf der „Woba“-Wohnungen besonders erschüttert. Denn dieses Vorkommnis beweist, dass nicht nur nichts aus der Geschichte gelernt worden ist, sondern auch, dass die heutige bedrohliche neoliberale bzw. neokonservative Globalisierung noch überhaupt nicht richtig beurteilt wird. In meinem Buch „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“ habe ich einige Beispiele detailliert beschrieben, auch in Bezug auf die Privatisierung von Dienstleistungen (GATS). Bald werden die Amerikaner nicht nur über unsere Landwirtschaft, die zunehmend in eine gentechnologische Abhängigkeit gerät, und damit über unsere Lebensmittel, welche die Gesundheit bedrohen, Schulen, Spitäler und unser Wasser, sondern auch über unsere Wohnungen bestimmen.
 
Wer die Geldgier kennt, auf welche die gesamte, den Wirtschaftsinteressen dienende US-Politik ausgerichtet ist,  weiss  auch, dass es mit der Schuldenfreiheit in unseren gemässigten Zonen bald nicht mehr weit her sein wird: Wir werden in Hochleistungsmilchkühe umfunktioniert und bis zum letzten Tropfen ausgenommen. Aber das scheint im verschlafenen Abendland erst etwa im Verhältnis 40:30 erkannt worden zu sein.
 
Buchhinweis
Hess, Walter, und Rausser, Fernand (Illustrationen): „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein 2005. ISBN 3-9523015-0-7.
 
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