Ist Erlenholz für Küchenschränke und Küchenmöbel tauglich?
K.P., CH-6300 Zug
Antwort: Erlenholz entwickelt seine besten Eigenschaften, wenn es unter Wasser verbaut wird; Venedig soll zu einem grossen Teil auf Erlenpfählen stehen. Auch bei Bachufer- und Flussuferverbauungen kommt die Wasserresistenz dieser Holzart positiv zur Geltung; und genau dieser Bereich zwischen Wasser und Land ist das bevorzugte Biotop für Erlen. In Basel gibt es die "Langen Erlen", eine Erholungslandschaft mit dem Tierpark des Erlen-Vereins am Bachlauf der Wiese zwischen Riehen und Basel. 2 schweizerische Gemeindenamen weisen ebenfalls auf Erlen hin: CH-8703 Erlenbach ZH und CH-3762-Erlenbach im Simmental. Bei Anwendungen im und am Wasser können die Holzwürmer, die den hohen Eiweissgehalt des Erlenholzes schätzen, diesem nichts anhaben. Wenn man davon ausgeht, dass in der Küche wegen des Dampfes und dem Hantieren mit Wasser gelegentlich auch eine feuchte Atmosphäre herrscht, dann darf man Ihre Frage ohne weiteres bejahen: Erlenholz eignet sich für Küchenmöbel durchaus.
Das mittelharte Erlenholz, das manchmal fettig wie eine Speckschwarte wirkt, besonders wenn es übermässig eingeölt worden ist, wurde lange Zeit vor allem für die Restauration alter und wertvoller Möbel eingesetzt. Dies geschah wohl deshalb, weil es in unterschiedlichen Färbungen von Hellrot bis Braun oder auch wieder in Richtung Orange bis Weiss in Erscheinung tritt. Wenn ein Baum gefällt wird, läuft die Schnittstelle intensiv rot an; der Baum beginnt gewissermassen zu bluten. Eine Volksweisheit, die darauf Bezug nimmt, berichtet, Erlenholz und rotes Haar seien auf gutem Grunde rar.
Die Maserierung des Erlenholzes ist zurückhaltend; markante Äste in wirren Formen beleben sein Aussehen. Es lässt sich gut beizen, und es dient gelegentlich zur Imitation von Edelhölzern. Viele Nähmaschinentischchen bestanden früher aus Erlenholz. Im Möbelbau Nordamerikas spielt die dort wachsende Roterle (Ainus rubra) die zentrale Rolle bei der Herstellung von Möbeln aller Art; die Red alder, wie sie jenseits des grossen Wassers heisst, steht der Schwarzerle (Alnus glutinosa), die bis 25 m hoch werden kann, sehr nahe.
Die Erle (Eller, Alnus) mit ihren am Rande leicht gelappten oder gesägten Blättern und den Blüten in Kätzchen (die Schwarzerle z.B. hat männliche gelbliche und weibliche rötliche Kätzchen) wurde der Gattung der Birkengewächse (wie Haselnuss und Hainbuche) zugeordnet. Sie kommt in der nördlichen gemässigten Zone sowie in den Anden vor und umfasst etwa 30 Arten. Die Weisserle, auch Grauerle (Alnus incana) genannt, bringt es lediglich auf 20 m Höhe, und die Grünerle (oder Bergerle, Alnus viridis) ist ein 1 bis 3 Meter hoher Strauch mit einer glatten, dunkelaschgrauen Rinde und bräunlich gefärbten Korkwülsten.
Die Grünerle schätzt mineralstoffreiche und feuchte Böden und nebelreiche Täler und wird in den schweizerischen Mundarten als Tros, Droslae oder Drusen bezeichnet. Ihre am Grund herzförmigen und am Rand scharf doppelgesägten Blätter erscheinen kurz nach der Schneeschmelze; sie können den Frühling jeweils kaum erwarten. Sie ermöglicht das Aufkommen von Nadelwäldern, indem sie lockere Schuttböden, Bachschutt- und Lawinenkegel sowie durch Lawinen abrasierte Hänge besiedelt und den jungen Waldbäumen das Aufkommen erleichtert. Pflanzensoziologisch wird das Grünerlengebüsch zum Fichtenwald gerechnet oder in den Assoziationsverband des Alneto-Adenostylions einbezogen.
In Erlen-Monokulturen ausserhalb der natürlichen Erlen-Standorte tritt manchmal der Blaue Erlenblattkäfer auf. Raupenvertilgende Vögel, Raupenfliegen und Stutzkäfer (wie der Hister helluo) versuchen jeweils, das ökologische Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Bewohner der Erlen, insbesondere Käfer und Raupen, sind auch eine wertvolle Nahrung für verschiedene Tiere, wenn sie ins Wasser fallen.
Seit einiger Zeit ist das Erlenholz von Möbelschreinern, insbesondere im Bio-Möbelbau, wiederentdeckt worden, und es wurde von ihnen als Massivholz ebenso wie als Furnierholz verarbeitet. Daraus werden Küchen-, Schlafzimmer-, Büro- und Designermöbel hergestellt, vor allem auch in Spanien. Weitere Anwendungsgebiete sind die Herstellung von Leisten, Spanplatten, Zigarrenkistchen, Obstharassen aller Art, auch von anderen Verpackungskisten, Einwegpaletten, Holzschuhen usf. Selbst die Hälse preisgünstiger Saiteninstrumente bestehen oft aus Erle. Seines leichten Gewichtes wegen wurde Erlenholz früher auch zur Herstellung von Koffern eingesetzt.
Da Erlenholz leicht zu verarbeiten ist, verwendet es die Modellschreinerei gern für die Herstellung von Gussmodellen. Nur manchmal springt das Holz, wenn eine Schraube an einer besonders harten Stelle eingetrieben wird.
Die Hölzer der Weisserle und der Schwarzerle können gleichermassen eingesetzt werden, wobei die Weisserle allerdings weniger beliebt ist, wie ich von einem erfahrenen Schreinermeister, Fritz Bolliger, Kirchrain 8, CH-5734 Reinach AG, erfahren habe; denn erstens ist der Stammdurchmesser eher bescheiden, und zweitens ist der Kern als Nutzholz untauglich. Meistens würden sich etwa 75% des Holzes nur für Brennzwecke eignen, erklärte der Fachmann, der jahrelange Erfahrungen im Umgang mit Erlenholz gesammelt hat. Aber sehr gefragt sei Erlenholz für Brennzwecke nicht, weil es einen eher geringfügigen Heizwert habe, fügte Fritz Bolliger in einem Gespräch mit dem Textatelier bei.
Gute Dienste leistet die Erle in der Naturmedizin bei Fieber und Erkältungskrankheiten wie Angina: Im Herbst und Winter Rinde abschaben, klein schneiden und trocknen lassen. Ein gehäufter Teelöffel reicht für eine Tasse. 5 Minuten ziehen lassen und damit gurgeln. Bei schwachem Zahnfleisch hilft ein starker Absud aus Erlenblättern, den man als Mundspülung benutzt. In der Volksheilkunde wird ein Brei aus Schwarzerlenblättern zu Abstillen verwendet. Im Buch "Baumheilkunde" (AT Verlag, Aarau) empfiehlt René A. Strassmann, bei Müdigkeit und Niedergeschlagenheit eine Erle aufzusuchen. Sie bringe Freude und Munterkeit und vermittle eine gewisse Lebendigkeit.
Dafür ist der mythologische Wert der Erle um so grösser. Weil sie die Nähe des Wassers sucht, auch Orte wie Auenwälder und feuchte Laubwälder, Orte also, wo wegen Nebelbildungen oft gespenstische Stimmungen entstehen, wird sie in der Literatur häufig mit Erlkönigen, Erlenfrauen, Nebelfrauen, Hexen und Irrlichtern umgeben. Es ist das Reich der Fruchtbarkeit, des Lebens und des Todes schliesslich gehört all dies zusammen. Der Erlkönig wurde von Goethe als unheimlicher und unheilbringender Geist besungen.
Man würde dem Erlenholz allerdings Unrecht antun, sollte man es mit dem Unheimlichen in Zusammenhang bringen. Das Gegenteil trifft zu: Das Holz wirkt warm, anheimelnd. Durch die feinen, zerstreuten Poren und seiner verhältnismässig ruhigen Struktur strahlt es Behaglichkeit aus. Und wenn es etwas ins Rotbraune nachdunkelt wirkt es ein tropisches Rotholz, nur weicher, weniger abweisend.
Dazu schafft eine Erinnerung an Goethe einen markanten Kontrast. Erinnern Sie sich?
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Ein dramatisches Ende. Gibt es wirklich einen Zusammenhang mit der Erle? Unsere Textatelier-Lyrikerin Lislott Pfaff hat sich zum Namen Erlkönig wie folgt geäussert:
"Erlkönig" geht auf eine unrichtige Übersetzung des dänischen Worts "ellerkonge" (Elfenkönig) zurück, hat also nicht unbedingt mit der Erle als Baum zu tun. Jedoch verleitet der Klang sowohl der dänischen als auch der deutschen Bezeichnung zu den oben angedeuteten Assoziationen, und auch ein Elfenkönig ist ja ein geheimnisvolles wenn auch nicht unbedingt unheilbringendes Wesen."
So weit die Ausführungen aus der Feder unserer Dichterin, die diesen "Erlkönig" in freimütiger Manier in einen ehrgeizigen Manager, einen "Erl-Geiz", verwandelt hat (Rubrik Glanzpunkte).
Diese Idee entsprang zunächst der rhythmischen Dynamik des Goethe-Gedichts, die übrigens auch in der Schubert-Vertonung sehr schön zum Ausdruck kommt, und die sich gut auf die Dynamik des nie ruhenden Managers übertragen liess. Ferner stimmen, so schien es der Autorin, die Verlockungen der Erlkönigs-Töchter (Elfen?) mit den Verlockungen überein, die den karrierebewussten Manager vorantreiben, wobei die Warnungen des sterbenden Kindes bzw. der Stimme des Büros in beiden Fällen in den Wind geschlagen werden. Der Tod ist unvermeidlich: In der Erlkönig-Sage stirbt das Kind, in der Parodie des Goethe-Gedichts die Liebe.
Aber wenigstens die Erlen bleiben uns erhalten.
wh.
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