Wir bauen eine Küche aus massivem Erlenholz ein, und wir haben auch einen Küchenboy aus Rotahorn. Wie sollen diese Hölzer behandelt werden? Wir wollen uns ja nicht vergiften.
Eva Hess, CH-5023 Biberstein
Antwort: Im Innenbereich ist eine Holzbehandlung meistens unnötig; und giftige Holzschutzmittel haben in Innenräumen schon gar nichts zu suchen. Doch in einer Küche, in der noch aus Leibeskräften gekocht wird, wo unter anderem mit Säuren (Essig), heissem Fett hantiert wird, wo es brodelt und dampft und sich Düfte aller Art ein Stelldichein geben, ist die Beanspruchung der Hölzer selbstverständlich überdurchschnittlich gross. In solchen Fällen gilt es, die Poren des Holzes offen zu behalten, damit dieses seine ausserordentlichen Qualitäten als Klimaanlage (Feuchtigkeitsregulierung durch Wasserdampfaufnahme und Dampfabgabe sowie Geruchsneutralisation) beibehalten kann. Holz darf also nicht versiegelt werden. Es muss, mit anderen Worten, atmungsfähig bleiben. In diesem Fall offenbart massives Naturholz gerade im Kücheneinsatz seine hervorragenden Eigenschaften.
Ein seit Jahrhunderten bekannter Holzschutz für den Innenbereich ist Leinölfirnis ("Firnis"). Dabei handelt es sich um Leinöl, das durch Auspressen und Auskochen aus dem Samen der Flachs- oder Leinpflanze (Linum usitatissinum L.) gewonnen worden ist und das auch für die Herstellung von Linoleum, Seifen und Speiseöl verwendet wird. Leinöl ist anfänglich flüssig und geht über zähflüssige bis klebende Zwischenstufen allmählich in einen mehr oder weniger festen, trockenen Film über. Ihm werden wegen seiner langsamen Trocknung (eine Oxidation, eine Aufnahme von Sauerstoff und Verbindung mit diesem) meistens eine beschleunigende Sikkative[1] wie Kobalt- und Zirkoniumoctoate, in der Regel aus Erdöl gewonnene Isoaliphate[2] und Kiefernöl beigefügt, d.h. im erhitzten Leinöl aufgelöst. Leinölfirnis sollte nur in einer ganz dünnen Schicht aufgetragen werden, damit die Poren nicht zugepflastert werden. Mit Leinölfirnis behandelte Hölzer bleiben diffusionsfähig und sind wasser- und schmutzabweisend.
Oft finden sich in Leinölprodukten auch Zugaben von Leinöl-Standöl. Standöle sind ausschliesslich durch Erhitzen eingedickte, besser trocknende Öle. Es gibt z.B. auch Holzöl-Standöl, Sojaöl-Standöl; diese dürfen ausschliesslich aus dem deklarierten Öl bestehen; Mischungen sind als Mischstandöle zu bezeichnen.
Leinölaustauschstoffe wie Tallöl und Fischöle können Leinöl in Anstrichmitteln zwar teilweise, aber nicht vollumfänglich ersetzen.
Gegen einen Zusatz von Orangen- oder Zitrusschalenöl zur Duftverbesserung ist nichts einzuwenden, wenn das Pflegeöl im Aussenbereich der Küchenschränke verwendet wird. Das Kasteninnere würde ich nicht unbedingt parfümieren; denn es soll ja nicht jedes Gericht nach den Schalen von Zitrusfrüchten duften!
Hinweise: Da sich bei der Behandlung von Holz mit Leinölprodukten eine leichte Farbveränderung einstellt, ist es angezeigt, zuerst mit einem Holzabfallstücklein einen Probelauf zu absolvieren. Vorsicht: Die verwendetet Lappen können sich selbst entzünden (Autooxidation). Deshalb müssen die Lappen nach dem Gebrauch in Wasser gut ausgewaschen werden; dann kann man sie trocknen lassen; oder aber man kann sie in luftdicht verschlossenen Behältern aufbewahren. Die spätere Reinigung der eingeölten Flächen soll nur mit lauwarmem (handwarmem) Wasser ohne entfettende Zusätze erfolgen, damit das Holzpflegemittel nicht entfernt wird.
Für das Innere der Küchenkästen würde ich ein Bienenwachsprodukt ohne giftige Chemikalienzusätze verwenden; auch Bienenwachse lassen die Poren offen und beeinträchtigen die Holzatmung also nicht. Die Hölzer erhalten einen seidigen Glanz und sind jetzt gegen organische Säuren recht gut geschützt.
Will man einen vollkommen wasser- und schmutzunempfindlichen Überzug auf der Holzoberfläche, zum Beispiel für Gestelle, auf denen Wein-, Essig-, Saucen- und Ölflaschen stehen, empfiehlt sich eine hochglänzende Schellack-Politur[4], die in mehreren Schichten und mit Zwischenschliff aufgetragen wird. Aber dann ist das Holz versiegelt. Schellack-Lieferantinnen sind die indischen Lackschildläuse; dafür wird ihr Ausscheidungsprodukt (Stocklack) verwendet, das auf Zweigen bestimmter indischer Bäume als Harzkruste zu finden ist. Dieser Rohstoff wird dann gereinigt und kommt in wachshaltiger oder wachsfreier Form beziehungsweise in alkoholischer Lösung in den Handel. Auch sind andere Lackierungen (Holzschutzlasuren) möglich; doch empfiehlt es sich, bei Alkylharzlack- und Kunststoffdispersionen die Eignung für die Anwendung in Küchen genau zu überprüfen.
Es lohnt sich auf jeden Fall durchaus, sich über die Behandlung von Holz Gedanken zu machen, damit man zu Lösungen kommt, welche sämtliche Ansprüche an die Ästhetik, die Materialeigenschaften und den Gesundheitsaspekt befriedigen. Ökologisch orientierte Produzenten und der Fachhandel stellen heute ausgezeichnete Produkte aus natürlichen Materialien bereit, die manchmal etwas teurer und aufwendiger in der Handhabung sind, die den Mehraufwand aber in Raten um ein Mehrfaches zurückzahlen. Und dies ist das Entscheidende.
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[1] Sikkative sind Trockenstoffe im Sinne von Trocknungsbeschleunigern für langsam trocknende Öle in Anstrichmitteln, häufig Metallseifen, welche die Oxidation des Öls beschleunigen.
[2] Bei organischen aliphatischen Verbindungen (der Name geht auf das griechische Salböl zurück) handelt es sich um Kohlenwasserstoffe, die in offenen Ketten gerade oder verzweigt angeordnet sind. Sie stehen im Gegensatz zu den ringförmig (zyklisch) angeordneten Strukturen und werden daher auch azyklische Verbindungen genannt. Es sind ziemlich harmlose Substanzen.
[3] Man achte unbedingt darauf, dass keine giftigen bleihaltigen Verbindungen enthalten sind.
[4] Schellack wird teilweise noch für Schuh- und Lederappreturen, Lacke der kosmetischen Industrie (Haarsprays), Kopierlacke für fotografische Zwecke und alle möglichen Spezialbeschichtungsstoffe verwendet.
Quellen-Hinweis: Sponsel, Kurt; Wallenfang, Wilhelm, O., Waldau, Ingo: "Lexikon der Anstrich-Technik 1 und 2", Verlag Georg D. W. Callway, München 1992.
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